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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
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Ausschau nach Piratenschiffen, die mit uns »Mauren« bemannt sind.
    Ich habe gehört, dass auf den Rudern der Sklaven lange, traurige Geschichten stehen.
    Ein Sklave kratzt Wörter ins Holz – nur ein paar.
    Der Mann nach ihm schreibt weiter, wo der vorige aufgehört hat.
    Die Lektion, die ich daraus lerne, lautet:
    Galeerensklaven sterben schneller,
    als nasses Holz braucht, um zu verrotten.
      
    Eine neue Musik
    Was bleibt uns denn sonst noch zu tun?
    Wir reden und wir singen und wir beten
    und wir tanzen – die wenigen von uns,
    die noch Kraft haben, auf den Beinen zu stehen.
    Ein paar Männer spielen eine Musik, die ich noch nie gehört habe.
    Alle Arten von Musik ineinandergemischt.
    So wie das Kauderwelsch, das ich immer mit Papa gesprochen habe
    an den langen Abenden gemeinsamen Lernens, an denen es spät wurde.
    Ein bisschen Arabisch. Ein paar Brocken Spanisch.
    Und eine Prise Ladino – die Alltagssprache
    der spanischen Juden.
    An einem heißen Nachmittag singt eine Frau,
    deren Haut den warmen Braunton einer Rosine hat,
    mit einer Stimme, die so stark dem Ruf des Muezzin gleicht,
    dass ich schockiert bin.
    Ich sagte zur Einsamkeit:
    Komm, lebe mit mir!
    Dann sind wir wenigstens zu zweit.
    Sie sitzt auf der Erde.
    Aber ihr Klang kratzt am Boden des Himmels.
      
    Nächtliche Stimmen
    Wenn die letzte Fackel erlischt,
    wird die Gitarre
    noch einmal lebendig.
    Die Menschen rufen ihre Verse
    aus allen Ecken des Hofes.
    Da wir den Urheber nicht sehen können,
    wirkt es, als sängen wir alle.
    Ich verlangte nach dem Tod,
    aber Gott sagte,
    ich hätte ihn nicht verdient.
    Je trauriger die Worte,
    desto mehr Trost
    haben sie im Gepäck.
      
    Festgehalten
    Ehe ich es recht merke, singe ich.
    Tatsächlich. Die Worte strömen einfach heraus.
    Ich rief nach dem Tod,
    aber der Tod wurde festgehalten.
    Seine Hoheit König Ferdinand
    hatte den Tod zu seinem Sklaven gemacht!
    Ein trauriges Lachen antwortet auf meine Worte.
    Irgendwie erwärmt es mich.
    Eine andere Stimme singt:
    Ich bot an, ihn zu befreien –
    aber der Preis war zu hoch.
    Darauf kommt eine Antwort
    von weiter weg. Ich schlafe ein,
    ehe ich höre, wie sie lautet.
      
    Ich singe
    Unser Leben in Granada war einst voller Lieder.
    Musik war so allgegenwärtig wie Staub in der Luft.
    Sie erfüllte die Straßen und die Innenhöfe
    und selbst noch die Höhlen, die in die Hügel gehauen sind.
    Mutters Stimme war ein Pfeil, der einem bis ins Herz drang.
    Als mein abba vermisst wurde, sangen wir zusammen.
    Wir hatten einander. In unseren Liedern lag unsere Hoffnung: er würde zurückkommen.
    Aber als jene Männer meine Mutter ergriffen,
    erstarb mir das Singen in der Kehle.
    Das war’s, dachte ich.
    Wie konnte ich je noch einen einzigen Ton singen?
    Nachdem sie sie geschlagen hatten? Und an den Haaren gezogen hatten?
    Unsere Wangen, ihre weiche Haut, mit Eisen gebrandmarkt hatten,
    die sie in Feuer erhitzt hatten?
    Meine Familie in Córdoba hat mich nie singen hören.
    Wenn ein Lied an mein Herz klopfte, habe ich es verscheucht.
    Hier ist kein Platz für dich.
    Aber die Frau mit der Rosinenhaut hat mich etwas gelehrt.
    Ein Lied muss nicht freudig sein.
    Ich denke in jeder Minute meines Lebens an meine Eltern.
    Jetzt werde ich für sie singen.
      
    Zeit
    Acht Monate!
    Die Königin, heißt es, hat uns Zeit erwirkt.
    Beschaffen wir in diesen Monaten die vom König verlangte Summe,
    sind wir frei.
    Wenn nicht,
    gehören wir ihnen –
    für immer.
      
    Trick
    Unsere acht Monate Aufschub, so sagt man uns,
    seien nicht dazu da, dass wir
    mit Gitarren herumhängen.
    Aber wie wir Geld aufbringen sollen,
    wenn wir an diese Bänke gekettet sind,
    ist mir ein Rätsel.
    Denn das haben sie getan.
    Sie haben uns zur Arbeit aufs Meer geschickt.
    Der Krieg geht noch weiter:
    Die Armada braucht jedes Schiff
    auf dem Wasser.
    Ich fange an zu zweifeln.
    War das mit dem Lösegeld nur
    ein raffinierter Trick?
    Welch eine Methode, um zu gewährleisten,
    dass keiner der Besiegten seinen Reichtum verstecken würde!
    Keine Münzen oder kostbare Seiden
    in Höhlen vergraben, wie in der Geschichte von Aladdin.
    Die Malagueños haben bis zum letzten Fitzelchen alles vorgezeigt,
    um die Summe aufbringen zu können.
    Die Ausbeute eines ganzen Lebens dank Glück, gutem Klima
    und harter Arbeit.
    Die Krone sagte, es reiche nicht.
    Und nahm es ihnen.
      
    Wurmlöcher
    Ein Mann, der Tribun, gibt mit einem Hammer
    den Takt an. Wir folgen seinem Klopfen
    mit unseren

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