Der schüchterne Junggeselle
sich überhaupt keine Lösung finden lassen.«
»Sie hatten doch sonst so viel Verstand«, sagte Mr. Waddington vorwurfsvoll.
»Aus dieser Schwierigkeit kann kein menschlicher Verstand einen Ausweg zeigen. Sie können nur abwarten und darauf vertrauen, daß die Zeit, die alles heilt, schließlich auch hier helfen wird.«
»Das ist ja ein glänzender Rat.«
Hamilton Beamish zuckte die Achseln. Sigsbee H. Waddington betrachtete die Papiere mit giftigen Blicken.
»Wenn das Zeug nichts taugt«, sagte er, »wozu drucken die Leute dann die ganzen Dollarzeichen auf die Hinterseite? Das ist irreführend. Sehen Sie sich mal das Siegel an. Und alle die Unterschriften.«
»Das tut mir sehr leid«, sagte Hamilton Beamish. Er schritt zum Fenster, lehnte sich hinaus und atmete die Sommerluft ein. »Ein herrlicher Tag.«
»Gar keine Spur«, sagte Mr. Waddington.
»Kennen Sie vielleicht zufällig Madame Eulalie, Mrs. Waddingtons Wahrsagerin?« fragte Hamilton Beamish träumerisch.
»Der Teufel soll alle Wahrsagerinnen holen«, rief Sigsbee H. Waddington. »Was soll ich mit den Aktien tun?«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß Sie gar nichts tun können, wenn Sie das Kollier nicht stehlen wollen.«
»Es muß aber eine Möglichkeit geben. Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
»Nach Europa durchbrennen.«
»Ich kann aber nicht nach Europa durchbrennen. Ich habe kein Geld.«
»Dann erschießen Sie sich … werfen Sie sich vor einen Zug … was Sie wollen, was Sie wollen«, sagte Hamilton Beamish ungeduldig. »Jetzt muß ich aber wirklich gehen. Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen. Vielen Dank für Ihren guten Rat.«
»Oh, bitte sehr«, sagte Hamilton Beamish. »Gar keine Ursache. Es ist mir immer ein Vergnügen, wenn ich helfen kann.«
Er warf einen letzten seelenvollen Blick auf die Fotografie auf dem Kaminsims und ging aus dem Zimmer.
Mr. Waddington ließ sich in einen Sessel fallen und gab sich düsteren Gedanken hin. Eine Zeitlang konnte er nur an seine Empörung über Hamilton Beamish denken. Da lief ein Mensch herum und behauptete klug zu sein, und sowie man mit einem kinderleichten Problem zu ihm kam, das er in fünf Minuten nach sechs verschiedenen Methoden lösen können mußte, wußte er nichts zu sagen, als daß es ihm leid täte, daß man sich vor Züge werfen und erschießen sollte.
Dieser idiotische Vorschlag, das Kollier zu stehlen. Wie sollte er …?
Sigsbee H. Waddington setzte sich auf. Seine Augen funkelten. War der Vorschlag denn wirklich so idiotisch?
Er blickte in die Zukunft. Augenblicklich war das Kollier in der Bank in sicherem Gewahrsam. Aber wenn Molly diesen jungen Pinch heiratete, würde es wohl mit den anderen Hochzeitsgeschenken ausgestellt werden. Es würde also bald eine Zeit – etwa den größeren Teil eines Tages – geben, während der ein entschlossener Mann mit langen Fingern …
Mr. Waddington sank in seinen Stuhl zurück. Das Licht erstarrte in seinen Augen. Die Philosophen wollen uns einreden, daß kein Mensch sich selbst kennt; doch Sigsbee H. Waddington kannte sich gut genug, um zu wissen, daß es ihm an Mut für eine solche Tat gebrach. Das Stehlen von Kolliers ist keine Arbeit für einen Dilettanten. Man kann ohne genügende Vorstudien nicht mitten im Leben damit anfangen. Jeder erfolgreiche Juwelendieb muß von Jugend an eine harte und anstrengende Erziehung durchmachen, er muß mit Milchkannen und Koffern auf Bahnhöfen beginnen und sich heraufarbeiten. Zu dieser überaus delikaten Operation gehörte ein gereifter Fachmann.
Und da, so dachte Sigsbee H. Waddington voll Bitterkeit, kann man sehen, was das Leben so schwer macht – das diffizile Problem, wie man im Augenblick der Not des richtigen Spezialisten habhaft werden kann. Alle Nachschlagewerke wie das Telefonbuch wußten nichts von den lebenswichtigen Gewerben zu sagen – von den Gewerben, die in den wirklichen Krisen des Lebens von Nutzen sind.
Mr. Waddington stöhnte in bitterer Verzweiflung. Tagtäglich sprechen die Zeitungen von der Zunahme der Verbrechen; tagtäglich machten sich tausend glückliche Gauner mit reicher Beute in Automobilen davon, und da saß er, er brauchte dringend einen dieser Gauner und wußte nicht, wo er ihn suchen sollte.
Mr. Waddington rief geärgert: »Herein!«
Er blickte auf und sah einen hageren Polizisten eintreten.
2
»Ich bitte um Entschuldigung, Sir, wenn ich störe«, sagte der Schutzmann und wollte sich wieder zurückziehen. »Ich wollte Mr. Beamish
Weitere Kostenlose Bücher