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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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langweilig?«
    »Langweilig?« wiederholte Mullett außer sich.
    »Na ja, vielleicht nicht. Aber wir ziehen uns schrecklich jung vom Geschäft zurück, Freddy.«
    Auf Mulletts Gesicht malte sich Besorgtheit. »Das soll doch nicht heißen, daß du dich noch immer nach dem alten Gewerbe sehnst?«
    »Na, und wenn?« fragte Fanny trotzig. »Du doch auch, wenn du ehrlich sein willst.«
    Die bekümmerte Miene Mulletts verwandelte sich in eine würdevolle. »Durchaus nicht«, sagte er. »Ich gebe dir mein Wort, Fanny, daß es jetzt nichts auf Erden gibt, was mich versuchen könnte. Und ich wünsche zu Gott, daß du auch bald so weit wärst, mein Schätzchen.«
    »Ach, ich will nicht sagen, daß ich mich mit irgendeiner Kleinigkeit abgeben würde. Aber Freddy, wirklich wahr, es wäre ein Verbrechen, eine große Sache vorübergehen zu lassen, wenn sie sich bieten würde. Du wirst dir doch nicht einbilden, daß wir weiß Gott wieviel Geld haben. Ich habe ein paar nette kleine Dingerchen aus den Warenhäusern, und du wirst dir wohl auch noch etwas behalten haben, aber davon abgesehen, haben wir nichts als das bißchen bar Geld, das wir uns sparen konnten. Wir müssen praktisch sein.«
    »Aber, meine Süße, denk doch an die schreckliche Gefahr, hoppgenommen zu werden.«
    »Ich habe keine Angst. Wenn man mich fassen sollte, habe ich eine Geschichte von meiner armen alten Mutter …«
    »Du hast doch gar keine Mutter.«
    »Behauptet ja auch niemand … eine Geschichte von meiner armen alten Mutter, über die der höchste Wolkenkratzer Tränen vergießen würde. Hör mal zu! ›Übergeben Sie mich nicht der Polizei, Mister, ich habe es nur Mas wegen gemacht. Wenn Sie seit Wochen arbeitslos wären und hungern und dasitzen und Ihrer armen alten Ma zusehen müßten, wie sie sich über die Waschzuber beugt‹ …«
    »Fanny, bitte, hör auf! Ich kann es nicht ertragen, obwohl ich weiß, daß es Schwindel ist. Ich … Hallo! Da ist jemand an der Tür. Wahrscheinlich bloß ein Modell, das wissen möchte, ob Mr. Finch Arbeit für sie hat. Warte hier, mein Herz. Ich werde sie abfertigen, und in einer halben Minute bin ich wieder da.«
4
    Es dauerte jedoch mehr als zwanzig Minuten, bis Frederick Mullett wieder in die Küche kam. Er fand seine künftige Frau in viel unliebenswürdigerer Stimmung vor, als er sie verlassen hatte. Sie stand mit gekreuzten Armen da, und die Temperatur hatte sich um einige Grade gesenkt.
    »War sie hübsch?« fragte sie in eisigem Ton, als Mullett über die Schwelle trat.
    »Was?«
    »Du sagtest, du würdest dieses Modell in einer halben Minute wegschicken, und ich warte jetzt mehr als eine Viertelstunde«, sagte Fanny, einen Blick auf die Armbanduhr werfend, deren Abwesenheit vom Lager einer blühenden Juwelierfirma der Fünften Avenue noch immer ein ungelöstes Rätsel war.
    Mullett riß sie in seine Arme. Das war einigermaßen schwierig, weil sie sich sträubte, aber er brachte es zuwege. »Es war kein Modell, Liebste. Es war ein Mann, ein Mann mit grauem Haar und rotem Gesicht.«
    »So? Was wollte er?«
    »Er kam, um mich zu versuchen, Fanny.«
    »Dich zu versuchen?«
    »Ja, das hat er getan. Er wollte wissen, ob ich Mullett heiße, und zwei Sekunden, nachdem ich das bestätigt hatte, bot er mir dreihundert Dollar für die Ausführung eines Verbrechens.«
    »Ja? Was solltest du tun?«
    »Das habe ich ihn nicht erst sagen lassen. Ich lehnte sein Angebot ab und ging fort. Das kann dir zeigen, ob ich mich gebessert habe oder nicht. Er meinte, es wäre eine nette, leichte, einfache Arbeit, die mich nur ein paar Minuten kosten würde.«
    »Und du hast abgelehnt, was?«
    »Selbstverständlich. Laut und deutlich abgelehnt.«
    »Und dann bist du gegangen?«
    »Dann bin ich gleich gegangen.«
    »So«, sagte Fanny mit stahlharter Stimme, »dann scheinst du dich nicht gut auf die Zeitrechnung zu verstehen. Du sagst, er hat dir dieses Angebot gemacht, zwei Sekunden, nachdem er deinen Namen gehört hat. Wieso hast du dann eine Viertelstunde dazu gebraucht, hierher zurückzukommen? Wenn du wissen willst, was ich denke: das war überhaupt kein Mann mit grauem Haar und rotem Gesicht – es war eines von diesen Washington-Square-Ludern, und du hast mit ihr poussiert.«
    »Fanny!«
    »Also, ich habe meine Romane gelesen und weiß, wie das hier in dem Viertel mit den ganzen Künstlern und Modellen und so weiter ist.«
    Mullett richtete sich auf.
    »Dein Argwohn schmerzt mich, Fanny. Wenn du dir die Mühe machen willst, auf

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