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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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begriff sie, daß sie in Sicherheit wäre, wenn sie durch das offene Fenster, vor dem sie jetzt stand, hineinstieg, und zehn Sekunden später tastete sie sich zum zweitenmal durch eine dunkle Wohnung.
    Ein deutlicher Geruch von Fett, feuchten Tüchern und altem Kohl sagte ihr, daß sie in einer Küche sei, aber die Finsternis war so schwarz, daß sie nichts von ihrer Umgebung sehen konnte. Das einzige, was sie mit Sicherheit von der Küche aussagen konnte, war, daß ein Besen darin war. Diese Kenntnis kam daher, daß sie auf das untere Ende dieses Geräts getreten war und der Stiel sie mit einiger Kraft an der Stirn getroffen hatte.
    »Autsch!« rief Mrs. Waddington.
    Sie hatte nicht die Absicht gehabt, sich laut über den Vorfall zu äußern, denn wer zur Nachtzeit durch fremde Küchen schleicht, muß schweigsam und vorsichtig sein, aber der plötzliche Schmerz war zu heftig gewesen. Und zu ihrem Entsetzen mußte sie merken, daß ihr Aufschrei gehört worden war. Durch das Dunkel kam ein merkwürdiges Geräusch, das wie das Aufziehen eines Flaschenkorken klang, und dann sprach jemand.
    »Wer sind Sie?« fragte eine unangenehme, krächzende Stimme.
    »Ich bin Mrs. Sigsbee H. Waddington«, stammelte sie. Und wenn Sigsbee H. sie gehört hätte, wäre er außer sich geraten vor Verwunderung darüber, mit welch gewinnender Sanftmut sie sprechen konnte.
    »Wer sind Sie?«
    »Mrs. Sigsbee H. Waddington, East, Neunundsiebzigste Straße, und Hempstead, Long Island. Ich muß sehr um Entschuldigung bitten wegen der scheinbaren Absonderlichkeit meines Benehmens in …«
    » Wer sind Sie?«
    Taube hatten Mrs. Waddington immer irritiert, denn wie viele Frauen mit ungeduldigem und herrschsüchtigem Temperament war sie der Ansicht, daß diese Leute ganz gut hören könnten, wenn sie sich nur Mühe geben würden. Sie hob ihre Stimme: »Ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, daß ich Mrs. Sigsbee H. Waddington …«
    »Gib mir ’ne Nuß«, sagte die Stimme, plötzlich das Thema wechselnd.
    Mrs. Waddington biß die Zähne aufeinander. Weniges ist für eine stolze Frau peinlicher als die Entdeckung, daß sie ihre Zeit darauf verschwendet hat, einen Papagei mit Ehrfurcht zu behandeln.
    Doch die Reaktion gab ihr ihre Ruhe wieder, und jetzt begann sie sich energisch weiter zu bewegen. Sie fand die Tür und öffnete sie. Auch im nächsten Raum war es finster, aber durch ein vorhangloses Fenster kam so viel Licht herein, daß sie ein Wohnzimmer ausnehmen konnte. In einer Ecke stand ein Sofa mit hoher Lehne, in einer zweiten in kleines Tischchen.
    Sie ging auf die Tür zu, durch die sie in die Diele und von da auf die Treppe zu gelangen hoffte, und gerade als sie sie öffnete, hörte sie, daß sich in der Flurtür ein Schlüssel umdrehte. Mrs. Waddington handelte schnell. Sie sprang in das Wohnzimmer zurück, versteckte sich hinter dem Sofa in der Ecke und bemühte sich, nicht laut zu atmen.
    »Haben Sie lange gewartet?« fragte ein Unsichtbarer, während er Licht machte.
    Diese Stimme war Mrs. Waddington fremd; aber die antwortende Stimme klang ihr so vertraut, daß sie kaum ihren Sinnen glauben wollte. Denn es war die Stimme ihres Hausmeisters Ferris. Und Ferris hätte um diese Zeit am Krankenbett eines Verwandten sein müssen.
    »Einige Zeit, Sir, aber das spielt keine Rolle.«
    »In welcher Angelegenheit wollen Sie mich sprechen?«
    »Habe ich die Ehre mit Mr. Lancelot Biffin, dem Chefredakteur des ›Stadtklatsches‹?«
    »Machen Sie rasch. Ich muß in der nächsten Minute wieder fort.«
    »Soviel ich weiß, Mr. Biffin, ist der ›Stadtklatsch‹ jederzeit bereit, Nachrichten über interessante Zwischenfälle in der ersten New Yorker Gesellschaft aufzunehmen und gut zu honorieren. Ich habe eine solche Nachricht.«
    »Über wen?«
    »Über meine Herrschaft – Mrs. Sigsbee H. Waddington, Sir.«
    »Was hat sie getan?«
    »Das ist eine lange Geschichte …«
    »Dann habe ich keine Zeit, sie mir anzuhören.«
    »Es betrifft die aufsehenerregende Störung der Hochzeit von Mrs. Waddingtons Stieftochter …«
    »Die Hochzeit ist also nicht zustande gekommen?«
    »Nein, Sir. Die Umstände, die es verhindert haben …«
    Mr. Biffin sah auf die Uhr und stieß einen Schrei aus. »Ich muß laufen; in einer Viertelstunde muß ich am anderen Ende der Stadt sein. Kommen Sie morgen zu mir in die Redaktion.«
    »Das wird leider unmöglich sein, Sir, weil …«
    »Dann passen Sie mal auf. Haben Sie schon einmal etwas geschrieben?«
    »Jawohl,

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