Der schwarze Engel: Horror-Thriller
Mauern des Klosters begrenzt. Es waren nur noch rußgeschwärzte Ruinen übriggeblieben, denn auch in diesem Teil Rumäniens hatte der Krieg gewütet. Die Mönche waren vertrieben oder von den Machthabern kurzerhand umgebracht worden. Das Kloster stand leer, und niemand dachte daran, es wieder aufzubauen.
Doch jetzt sollte es noch einmal zu einem gespenstischen Leben erweckt werden.
Sie hatten die Vorbereitungen schon getroffen. Mitten auf der Lichtung stand der Scheiterhaufen. Trockenes Reisig und Holz waren aufgeschichtet, und inmitten der Richtstätte ragte der Pfahl wie ein mahnender Finger heraus.
Es gab dekorativere Scheiterhaufen. In Filmen, zum Beispiel, aber da war die Szenerie nicht echt. Da wurde nur gemimt. Hier jedoch stimmte alles. Und auch das Opfer war da.
Vanessa.
Die Frau, die ich liebte ...
Man hatte sie in einen Schandkarren gestellt. In ein Ding, das einem Leiterwagen glich, an allen vier Seiten Holzgitter besaß und von einem Pferd gezogen wurde.
Sie hatten Vanessa gefesselt. Mit dicken Stricken. Zusätzlich war sie noch an zwei Stäbe gebunden.
Der Schandkarren stand dicht vor dem Scheiterhaufen. Die Meute hatte ihn umringt. Schmährufe wurden gegen das arme Mädchen ausgestoßen, Arme gereckt und Hände geballt.
Vanessa spürte die Macht der Feindschaft, die ihr entgegenschlug. Einer der Männer aus dem Dorf trug ein großes Holzkreuz. Er schien mir so etwas wie ein Anführer zu sein. Er stand dicht am Wagen, hielt das Holzkreuz hochgereckt und schrie sich die Kehle wund. Was er sagte, verstand ich nicht.
Dennis und ich lagen am Rand der Lichtung im dichten Gras. Noch waren wir stumme Beobachter und mußten uns zurückhalten, denn die Chancen für uns standen schlecht. Es bereitete mir ungeheuere Mühe, ruhig liegen zu bleiben, während sich auf Vanessas hübschem Gesicht die Angst widerspiegelte.
Sie trug noch die gleiche Kleidung wie in der Gaststätte. Wirr und zerzaust umrahmte das lange schwarze Haar ihr feingeschnittenes Antlitz. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie die Männer und Frauen an, die den Wagen umringt hatten.
Vor allem die Frauen gebärdeten sich am schlimmsten. Sie haßten Vanessa bis aufs Blut. Waren eifersüchtig und gönnten ihr nicht die Schönheit, mit der der Herrgott sie bedacht hatte.
Da werden Weiber zu Hyänen! Dieses alte Zitat von Schiller fiel mir ein, als ich die Frauen aus dem Dorf sah.
Einer jedoch genoß das Schauspiel in vollen Zügen. Brodkin, der Hexer.
Er hockte auf dem Bock seines Wagens, und ein diabolisches Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er hatte seine Pflicht getan, wahrscheinlich schon das Blutgeld kassiert und wartete nun auf das Ende des Dramas.
Ich spürte, daß ich diesen Mann haßte. Diese menschliche Bestie, die sich nicht scheute, eine Unschuldige verbrennen zu lassen, damit er einen perversen Triumph auskosten konnte. Meine Hände krallten sich tief in den weichen Waldboden, die Lippen hatte ich zusammengepreßt, sie bildeten nur einen Strich.
Die ersten Fackeln flammten auf.
Ich spannte unwillkürlich meinen Körper.
Dennis, der neben mir lag, merkte es. Leise sagte er: »Warte noch, James. Keine voreiligen Reaktionen. Die würden uns totschlagen.«
Ich nickte verbissen. Mein Freund hatte recht. Er sah die Lage kühler, emotionsloser, aber in mir tobte eine Hölle.
Ich glaube, damals bekam ich die ersten grauen Haarsträhnen.
Mindestens zehn Fackeln brannten jetzt. Es war inzwischen dunkel geworden, und der rotgelbe, tanzende Feuerschein erhellte die Lichtung mit seinem gespenstischen Licht.
Er machte aus Gesichtern dämonische Fratzen, aus Menschen schaurige Wesen und überdeckte die unmittelbare Umgebung mit einem bizarren Schattenspiel.
Die Leute aus dem Dorf stimmten einen Choral an. Ich hatte mal eine orthodoxe Kirche besichtigt, und dies zur Gebetszeit. In der Kirche sangen die Mönche. Ihr Singsang erinnerte mich an den auf der Lichtung gesungenen Choral.
Immer wieder warf ich Vanessa einen Blick zu. Das Mädchen hing jetzt apathisch in den Fesseln. Auch ihr Gesicht wirkte wie mit Blut übergossen. Ein makabrer Anblick ...
Minutenlang dauerte der Choral. Dann erhob sich Brodkin von seinem Platz und stellte sich auf die Sitzbank.
Er breitete beide Arme aus und forderte Ruhe.
Der Choral verstummte.
Ich suchte Brodkins rothaarigen Begleiter. Denn auch mit ihm mußten wir rechnen. Doch so sehr ich meine Augen anstrengte, ich entdeckte ihn nicht. Ich machte Dennis darauf aufmerksam.
Auch mein Freund
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