Der schwarze Fürst der Liebe
… Mortiferius drehte das Gesicht zur Wand.
Am nächsten Vormittag machten sie sich, wie vereinbart, getrennt auf den Weg. Da Mortiferius ihm keine Zeitangabe gemacht hatte, trödelte Matthias und ließ sich Zeit. Es gab so unglaublich viel zu sehen und vor allem zu riechen. Er lief schnuppernd durch die Straßen, spähte in jeden Winkel. Natürlich duftete nicht alles gut in Goldstein, aber es gab Händler mit Gewürzen, die Matthias niemals zuvor gerochen hatte, einen Bäcker mit Backwaren, wie er sie noch nie gesehen hatte. Er war begeistert. Neben dem Bäckerladen bemerkte er das Geschäft eines Spielzeugmachers, der trotz der Kälte seine Holzläden hochgeklappt und einige buntbemalte Spielzeuge ausgestellt hatte: kleine Pferde, Nussknacker und andere Figuren. Matthias konnte sich nicht sattsehen. Der Laden daneben verkaufte duftende Bonbons. Er lief weiter, nahm alle Eindrücke in sich auf, vergaß die Zeit. Himmel! Er hatte seinen Auftrag ebenfalls vergessen! Der Schneider! Er hatte Glück – am Ende der Ladengasse befand sich eine Schneiderei und er merkte sich genau deren Standort.
Eilig machte er sich auf den Weg zurück zur Herberge, marschierte schnurstracks durch den Innenhof zur Stalltür. Der warme Pferdegeruch schlug ihm entgegen. Nach der Kälte draußen empfand er das als angenehm warm. Er zog sich den Umhang von den Schultern und blieb überrascht stehen. Sein Herr trieb Sport. Nur mit einer schwarzen Lederhose bekleidet, das Haar mit einem Lederband zusammengebunden, hing er mit beiden Händen an einem der Querbalken des Stalls und zog sich hoch. Immer wieder. Etliche Narben überzogen seine schweißbedeckte Brust. Die Außenseiten der Unterarme verunzierten verheilende, rote Wunden, als wären sie aufgeschlitzt worden. Mortiferius’ stark gespannte Muskeln bewegten sich rhythmisch mit den Klimmzügen. Er blickte Matthias an, ohne aus dem Takt zu kommen.
»Hast du einen Schneider gefunden?«
Matthias schluckte schnell und nickte.
»Gut!« Mortiferius ließ sich auf den Boden fallen und ging zur Tränke, um sich den Schweiß abzuwaschen.
Gebannt beobachtete Matthias jede seiner Bewegungen. Sein Herz schlug bis zum Hals. »Soll ich Euch den Weg zur Schneiderei aufzeichnen?«
»Nein, wir werden gleich zusammen dorthin gehen. Je eher ich den Auftrag erteilen kann, umso besser.« Matthias strahlte. Er hatte wohl Hunger, jedoch seinen Herrn in die Stadt begleiten zu dürfen, erschien ihm weitaus begehrenswerter als ein Stück Brot und Käse.
Mortiferius zog sich rasch an. Als Matthias ihm helfen wollte, winkte er ab, streifte die warme Schaffelljacke über und schlüpfte in seine Stiefel. Bevor sie aufbrachen, vergewisserte sein Herr sich, dass die Rüstung gut und sicher unter einigen Strohballen versteckt lag. Sie schien ihm wirklich wertvoll zu sein. Es dämmerte, als sie gemeinsam die Herberge verließen.
Mit Mortiferius durch die Gassen zu laufen, war für Matthias viel schöner, als alleine umherzustreifen. Ihn konnte er nach all den Dingen fragen, die er nicht verstand. Mortiferius beantwortete seine Fragen geduldig und mit Sachverstand. Er erzählte ihm, was er über die verschiedenen Berufe wusste, denn die Stadt besaß eine Menge Handwerker, deren Läden sich in einigen Stadtteilen eng an eng drängten. Matthias staunte und betrachtete ihn von der Seite. Sein Gebieter erschien ihm schön, gebildet und ungeheuer begehrenswert. Er schritt neben Mortiferius einher, lauschte mit großen Augen seinen Worten. Nach einer Weile wurde ihm klar, auf welche Art er Mortiferius ansah und senkte schnell den Blick, um seine Gefühle nicht zu verraten. Ob der Herr seine Verehrung bemerkt hatte?
Sie erreichten die Schneiderei. Der Inhaber begrüßte sie mit einer tiefen Verbeugung. Matthias hielt sich im Hintergrund, während Mortiferius ihm die Hose beschrieb, die er im Sinn hatte und dem diensteifrigen Mann ein Stück Papier mit einer Skizze überreichte. Er feilschte wegen des Preises. Der Schneider konnte kaum verbergen, dass er interessiert war, das gewünschte Beinkleid zu fertigen. Letztendlich einigten sie sich und der Mann nahm seine Maße. Er würde eine Woche für die Arbeit brauchen. Mortiferius wirkte zufrieden und sie verließen die Schneiderei.
Es war inzwischen dunkel geworden. Überall in den Straßen waren Menschen mit flackernden Laternen unterwegs. Sie erwischten den Schmied in letzter Minute, als er dabei war seine Werkstatt zu schließen. Mortiferius trat rasch zu ihm und
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