Der schwarze Korridor
durch den Mannschaftsteil des Schiffes. Das einzige Geräusch ist das entfernte Summen der Maschinen.
Ryan holt sich ein Glas Wasser und trinkt.
Er schaltet erneut das Programm ein. Lächelnd denkt er, typische Halluzinationen eines einsamen Mannes. Das Programm ist beendet, und er beschließt, noch etwas zu trainieren. Er verläßt die Kabine, um zum Gymnastikraum zu gehen.
Auf dem Flur hört er die Schritte genau hinter sich. Er ignoriert sie mit einem Achselzucken.
Kurz darauf dreht er sich abrupt um. Natürlich ist niemand zu sehen.
Ryan erreicht den Gymnastikraum. Er wird das Gefühl nicht los, daß ihn jemand bei seinen Übungen beobachtet.
Er legt sich ein Viertelstündchen hin, bevor er mit der zweiten Hälfte seines Lehrprogrammes beginnt.
Er erinnert sich an die Ferien mit der Familie auf der Isle of Skye. Das war natürlich schon lange her, lange bevor man Skye in ein Versuchsgelände für Algennahrung verwandelt hatte. Er erinnert sich an schöne Abende, die er und Josephine dort verbrachten, an Abendspaziergänge mit seiner Frau. Er erinnert sich an Weihnachtsfeiern und an Sonnenuntergänge. Er riecht den Regen auf den Feldern seines Geburtsortes.
Er erinnert sich an den Geruch seiner Spielzeugfabriken – das heiße Metall, die Farbe, das frisch geschnittene Holz. Er denkt an seine Mutter. Sie war eines der Opfer des kurzlebigen ›Krankenhaus-Euthanasie-Gesetzes‹. Das Gesetz wurde von den Nimoiten während ihrer kurzen Amtszeit abgeschafft. Das einzig Vernünftige, was sie je getan haben, denkt Ryan.
Er schläft.
Erneut ist er in dem Tal auf dem Planeten. Aber diesmal ist er voller Schrecken, daß das Raumschiff und die anderen ihn verlassen haben. Er beginnt zu rennen. Er rennt in den Dschungel. Er sieht eine Negerin. Plötzlich befindet er sich in seiner eigenen Fabrik, umgeben von tanzendem Spielzeug.
Es macht ihm Vergnügen, seine Produkte zu sehen. Über das Klappern der mechanischen Spielzeuge hört er mit wachsender Furcht das Dröhnen der Musik, nach der in seinen anderen Träumen die Tänzer im dunklen Ballsaal tanzen.
Die Musik wird lauter und übertönt nun fast den Lärm, den die Spielzeuge machen. Ryan steht angewurzelt vor Angst inmitten seiner sich drehenden Modelle. Die Musik wird lauter. Die Spielzeuge sausen hin und her. Sie beginnen aufeinander zu klettern. Schaf auf Bagger, Puppenmädchen auf Ziegelhaus und bilden ganz in seiner Nähe eine riesige Pyramide. Die Pyramide wächst und wächst, bis sie ihn überragt. Die Musik wird lauter und lauter.
Voll Schrecken erkennt Ryan, daß ihn die Pyramide zu einem bestimmten Zeitpunkt unter sich begraben wird.
Er versucht, sich frei zu kämpfen.
Während er kämpft, erwacht er. Er liegt da und hört sich stöhnen:
»Ich dachte, sie wären vorbei. Ich muß etwas dagegen tun.«
Er steht von seiner Couch auf und verbannt den Gedanken an seine Übungen.
Er geht in den Kontrollraum und gibt dem Computer bekannt:
******* ICH HABE ALPTRÄUME **************************
Der Computer antwortet:
****** ICH WEISS DAS ““““ NEHMEN SIE 1 CC PRODITOL PRO TAG ““““ AUF KEINEN FALL MEHR “““ DOSIS SOBALD WIE MÖGLICH VERRINGERN ******* ABER AUF JEDEN FALL NACH ’’’ 14 TAGEN ABSETZEN *******************************************
Ryan streicht sich über die Lippen.
Dann beißt er auf dem Nagel seines rechten Zeigefingers herum.
*
Ryan durchquert das Schiff.
Die Gänge, den Maschinenraum, die Lagerräume, den Übungsraum, seine eigene und die übrigen Kabinen, den Beobachtungsraum und die Bibliothek …
Nur die Tür des Hibernationsraumes läßt er unbeachtet.
Er streift über eine halbe Stunde im Schiff umher und versucht, seine Gedanken zu ordnen.
Die Schritte folgen ihm fast die ganze Zeit. Schritte, von denen er weiß, daß es sie nicht gibt.
In den hallenden Gängen fängt er an, Stimmenfragmente zu hö ren. Es sind die Stimmen seiner Gefährten, die in ihren versiegelten Behältern bis zur Ankunft auf dem Planeten schlafen.
»Papi, Papi«, schreit sein jüngster Sohn Alexander. Ryan hört das Echo seiner eigenen Schritte in den Fluren. Zufällig hört er auch einen Streit zwischen Ida und Felicity Henry: »Erzähl mir nicht dauernd, wie du dich fühlst, ich will es gar nicht wissen.« Felicity schimpft mit ihrer schwangeren Zwillingsschwester. »Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie es ist«, sagte die andere entschuldigend. »Nein, nein, das kann ich nicht«, hört er Felicity hysterisch
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