Der schwarze Magier
ist wunderbar. Euer Körper wird rein wie Eure Seele. Lasst Euch treiben, lasst Euch gleiten, werft alle Fesseln ab.«
Aimee lag in den Kissen, entspannt, mit geschlossenen Augen, ein glückliches Lächeln auf dem Gesicht. »Ich fliege«, murmelte sie. »Ich bin ein Vogel, ich bin frei.« Sie atmete tief und gleichmäßig, auf ihre Wangen trat ein sanfter Schimmer wie von Bronze.
Lange blieb Rupert neben ihr sitzen, wartete, bis sie unruhig wurde. Dann weckte er sie aus der Trance. Verwirrt blickte sie sich um.
»Was war das?«, fragte sie. »Ich hatte einen seltsamen Traum.«
»Ich habe Euch diesen Traum geschenkt, Prinzessin. In diesen Träumen werdet Ihr wieder gesund. Wie habt Ihr Euch gefühlt?«
»Es… es war… wunderbar. War es wirklich ein Traum? Ich habe es gefühlt, als wäre es wahr.«
»Vielleicht war es auch wahr«, erwiderte Rupert. »Was wissen wir schon davon, wie viele Wahrheiten es gibt? Mit mir könnt Ihr von einer Welt in die andere wandern, in eine Welt, in der Ihr ein anderes Leben führt. Als ein Vogel, frei in den Lüften.«
»Ihr müsst morgen wiederkommen, edler Herr«, bat Aimee. »Nehmt mich wieder mit in diese andere Welt, wo ich so glücklich bin.«
Tag für Tag besuchte Rupert die kleine Tochter des Sultans in ihrer behüteten, aber freudlosen und eintönigen Welt hinter den undurchdringlichen Mauern des Harems. Nichts von dem, was Rupert je über einen Harem gehört hatte, entsprach dem, was er vorfand. Ältere Frauen wohnten hier, samt und sonders Verwandte des Sultans und seiner Frauen, auch kleinere Kinder beiderlei Geschlechts. Es schien eine Hierarchie zu geben, die der Hackordnung eines Hühnerhofes glich. Eingesperrt hinter diese Mauern gab es keinen Kontakt mit der Außenwelt, keine Abwechslung, keine Freude. Die Zeit spielte keine Rolle bei diesem Leben. Die Frauen erblühten und verwelkten, eingesponnen in einen täglichen Kleinkrieg zwischen Badehaus, Schlafsaal und Gebetsraum. Und sollte Aimee einmal verheiratet werden, vielleicht an einen hohen Fürsten des Stammes, dann würde sie von einem Gefängnis ins andere wandern, wieder weggeschlossen hinter Mauern und Schleiern, und die Zeit damit verbringen, darauf zu warten, dass ihr Gatte sie rufen ließ, um ihm zu Willen zu sein. Dann würde sie wieder Wochen und Monate warten, um ihm ein Kind zu gebären, das man zur Sicherheit einer Amme geben würde, bis sie wieder bereit war, ihren Mann zu empfangen.
»Warum begleitet Euch Eure Tochter auf diesem Kriegszug?«, fragte Rupert den Sultan eines Abends, als ihn Saladin zu einer Partie Schach eingeladen hatte. »Euer Hof befindet sich in Kairo.«
»Ganz recht, und der Rest der Frauen auch. Wisst Ihr, ich habe siebzehn Söhne. Darauf kann ich wirklich stolz sein. Meinen Ältesten, el-Afdal, habt Ihr ja schon kennen gelernt. Mich verlangt nicht unbedingt nach meinen Frauen, aber nach Aimee. Sie ist meine einzige Tochter und ich liebe sie mehr als alle meine anderen Kinder. Wenn ich sterbe – und das kann bei einem Kriegszug schnell geschehen –, soll sie das Letzte sein, was meine Augen in diesem Leben erblicken.«
»Verstehe ich recht, edler Sultan, Aimee ist nur hier, falls Ihr sterben solltet?«
Während Saladin eine Figur des Spiels setzte, nickte er lächelnd. »Ja. Ihr Anblick soll mich auf meinem Weg ins Jenseits begleiten.«
»Weiß Aimee davon?«
»Bei Allah, nein! Wo denkt Ihr hin, de Cazeville, und Ihr dürft es ihr auch nicht sagen. Wenn die Zeit gekommen ist, wird sie ihre Pflicht tun. Die Frauen bei uns sind sehr folgsam. Und Aimee ist eine liebevolle Tochter, der Sonnenschein meiner Tage, der Diamant meiner Nächte. Erst nach meinem Tod soll sie vermählt werden, vorher gehört sie mir ganz allein.«
»Aber sie ist niemals in Eurer Nähe, Ihr begebt Euch nicht in den Harem…«
Saladin lehnte sich zurück und lachte. »Man merkt, dass Euch unsere Sitten noch fremd sind, edler Ritter de Cazeville. Die Frauen leben in ihrem Bereich, die Männer in einem anderen, sie dürfen den Harem nicht betreten. Nein, es genügt mir zu wissen, dass sie dort ist mit ihren Dienerinnen und Eunuchen.«
»Und wie denkt Aimee darüber?«
Wieder lachte der Sultan und schüttelte dann den Kopf. »Ihr erheitert mich, lieber de Cazeville. Aimee denkt darüber nicht nach. Frauen denken überhaupt nicht. Sie sind dazu da, dem Mann Freude zu bereiten, das Leben angenehm zu machen allein durch ihre Anwesenheit, ihren Liebreiz, ihre Hingabe. Schon in der Heiligen Schrift
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