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Der schwarze Magier

Der schwarze Magier

Titel: Der schwarze Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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waren den ihren verdammt nah und sie spürte ein heftiges Kribbeln im Bauch. »Nein!«, sagte er entschieden.
    »Dann erzählt mir etwas anderes, über ihren Glauben zum Beispiel. Über ihr Wissen, über ihre medizinische Kunst.«
    »Nun gut.« Er lehnte sich wieder bequem zurück. »Auch die Muselmanen haben eine Heilige Schrift, die sie Koran nennen. Wer nach Wissen strebt, betet Gott an, steht darin. Es ist ein sehr weiser Spruch. Sie haben ihre Oasen der Wissenschaft und der Kunst fleißig bewässert. Was die christliche Kirche verdammt, pflegen sie mit Inbrunst: die Werke der alten griechischen Meister. Deren Spuren sind im Abendland schon lange verloren gegangen. Sie haben sie bewahrt und zur Blüte gebracht, die Lehren über Mathematik, Astronomie, Geometrie und Musik. Und erst die Philosophie, die Mutter aller Erkenntnis! Es gibt riesige Bibliotheken, in Kairo soll es über eine Million Bücher geben! Den gewaltigsten Fortschritt gibt es wohl in der Medizin. Die Chirurgie ist so weit entwickelt, dass die arabischen Ärzte sogar Operationen am Gehirn und an den Augen erfolgreich durchführen. Wisst Ihr, ich habe es bei den Johannitern erlebt, wie sie die Kranken behandeln. Zuerst kommt der Glaube, und wer sich zu ihnen hingeschleppt hat, der muss erst einmal beichten, auch wenn ihm das Blut schon aus den Ohren herausspritzt. Die Araber sagen: Wer mit Perlen arbeitet, muss aufpassen, dass er ihren Glanz nicht zerstört. So gehen sie mit dem menschlichen Körper um. Bevor ein Heilkundiger einen Patienten operiert, betäubt er ihn mit einer Mischung aus Bilsenkraut, Mandragora und Haschisch. Dann kann er ihn in aller Ruhe operieren, sei es, dass er einen Arm oder ein Bein amputieren muss, Geschwülste entfernt oder den Schädel trepaniert. Somit können die Schnitte sehr erfolgreich ausgeführt werden, ohne Blutbahnen und Nerven zu verletzten. Ein zweiter Arzt steht immer dabei und beobachtet Puls und Atmung des Patienten. Blutungen werden gestillt, indem man die Adern abbindet, und Wunden werden vernäht mit Fäden aus Katzendarm. Damals, als ich in Bologna studierte, habe ich ein Buch eines arabischen Gelehrten gelesen. Darin waren viele dieser Methoden beschrieben. Und dann habe ich sie mit eigenen Augen gesehen, als ich am Hof Saladins lebte.«
    Er streckte seine Hände vor und Gwendolyn bewunderte zum wiederholten Male seine langen, schlanken Finger. »Mich wurde in Bologna gelehrt, dass es unter der Würde des Arztes sei, mit den Händen zu arbeiten oder gar mit einem Instrument am Leib eines Menschen zu hantieren.« Er lachte leise. »In Genua habe ich einer Schwangeren das Kind aus dem Leib geschnitten. Es hätte mich fast das Leben gekostet, weil der Bischof mich am liebsten auf den Scheiterhaufen gezerrt hätte. In Ägypten sind solche Operationen an der Tagesordnung. Für mich ist der Schoß einer Frau nichts Heiliges und unter meinen Händen ist noch keine Gebärende gestorben.«
    Gwendolyn hatte die Augen aufgerissen und zog sich ihre Decke bis zum Hals herauf. »Gütiger Himmel!«, stöhnte sie auf.
    »Wird Euch übel?«, fragte Rupert belustigt.
    »Nein, nein, sprecht nur weiter«, stotterte sie.
    »Dieser berühmte Gelehrte namens Ibn Sina hat eine Liste von siebenhundertsechzig Drogen aufgestellt. Und es gibt eine Salbe gegen Entzündungen, die aus Schimmel gewonnen wird, der auf Leder gezüchtet wird.«
    »Pfui Teufel, Hexenwerk!«, schüttelte sich Gwendolyn.
    »Ich habe Eure Wunde damit eingestrichen«, sagte Rupert ungerührt.
    »O mein Gott!«, schrie Gwendolyn auf.
    Rupert drückte sie unsanft wieder ins Kissen zurück. »Ihr werdet es überleben. Und wenn Ihr genesen seid, erzähle ich Euch über seltsame Geräte, die ganz ohne die Muskelkraft von Tieren oder Menschen Wasser heben oder das Burgtor bewegen.« Er erhob sich.
    Gwendolyn blickte ihn ungläubig an. »Ich kann es nicht glauben«, flüsterte sie.
    »Ich werde es Euch beweisen, Mylady. Und jetzt entschuldigt mich bitte.«
    Gwendolyn fühlte sich plötzlich allein, als Rupert de Cazeville gegangen war, und eine schreckliche Angst kam in ihr auf, dass er sie verlassen würde. Er war ein unheimlicher, sonderbarer Mann, seine Reden ketzerisch, märchenhaft, unglaublich. Und doch bewies er ihr immer wieder ihren Wahrheitsgehalt. Sie fürchtete ihn und war doch von ihm fasziniert wie von keinem Menschen je zuvor. Sie nutzte die Zeit des Krankenlagers, um jedes Wort von ihm aufzusaugen wie ein trockener Schwamm das Wasser. Und sie

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