Der schwarze Magier
leistete dem Messer Widerstand. Rupert fluchte leise, weil er kein besseres Material für das Messer bekommen konnte. Dabei waren die orientalischen Kupfermesser bereits das Beste, was es überhaupt an chirurgischen Messern gab, und er hatte ein Vermögen dafür ausgegeben. Die Frau gab einen tiefen, klagenden Laut von sich. »Mohnsaft«, raunzte Rupert.
Die Hebamme flößte der unruhig werdenden und leise wimmernden Frau den Saft ein. Sie vermied es, einen Blick auf den geöffneten Bauch zu werfen.
Rupert arbeitete konzentriert weiter. Clemens wischte ununterbrochen das Blut auf.
»Da ist es ja«, flüsterte Rupert fast ehrfürchtig. »Halt den Bauch geöffnet, ich hebe das Kind jetzt heraus.« Rupert schaute zur Hebamme. »Kommt her und nabelt das Kind ab, wenn ich es herausgehoben habe. Dann reibt es sofort mit dem kalten Wasser ab, bis es schreit. Na los!«
»Jesus, ich komme in die Hölle«, rief die Hebamme, aber sie sprang auf und stellte sich mit weit aufgerissenen Augen neben Rupert. Der Anblick des aufklaffenden Bauches flößte ihr tiefstes Unbehagen ein.
»Stellt Euch nicht so an«, knurrte Rupert. »Ihr habt doch bestimmt schon zugesehen, wenn ein Verurteilter gevierteilt wurde, oder?«
»Ja, schon«, stammelte die Hebamme. »Aber das war ein Verbrecher. Der hatte es verdient.«
»Und Ihr seid nicht in Ohnmacht gefallen, als Ihr es saht. Dann fallt gefälligst auch jetzt nicht um.« Vorsichtig griff er mit seinen schmalen Händen um das winzige, zusammengekrümmte Wesen und hob es vorsichtig aus dem Bauch. »Spreizen! Gut, jetzt nachlassen.«
Die Hebamme trennte die Nabelschnur durch und nahm das glitschige, blaurote Etwas in die Hände.
»Kaltes Wasser! Sofort!«, befahl Rupert.
Während sie sich um das Kind bemühte, holte Rupert die Nachgeburt heraus und ließ sich von Clemens die gekrümmten dünnen Nadeln reichen. Er sprach leise, seine Bewegungen waren ruhig und beherrscht. Ab und zu warf er einen kurzen Blick auf das verzerrte Gesicht von Pontefozzis Frau. Schweiß stand auf ihrer Stirn, die geöffneten Augen mit den geweiteten Pupillen starrten irgendwohin an die Decke. Sie wimmerte ununterbrochen, versuchte sich zu bewegen und ihre Hände griffen irgendwohin ins Leere.
»Halt sie fest, sie bewegt sich zu stark«, wies Rupert seinen Gehilfen an. Dann arbeitete er weiter, setzte Stich an Stich.
Clemens kämpfte tapfer die ab und zu aufkommende Übelkeit nieder und bewunderte gleichzeitig die Ruhe des schwarzen Mannes ihm gegenüber. Wenn ruchbar wurde, was er hier getan hatte, würden sie ihn vor das Kirchengericht zerren und wahrscheinlich zu einem grausamen Tod verurteilen. Doch Rupert de Cazeville schien sich darüber keine Gedanken zu machen. Während er nähte, erklang plötzlich ein dünner, aber hörbarer Schrei.
»Das Kind!«, rief Clemens. Rupert wandte sich nicht um. Er nickte nur, als er bestätigt fand, was er ohnehin schon wusste. Eine Gestalt erhob sich aus der Ecke der Kammer.
»Ach, Pontefozzi, Euch gibt es auch noch?«, fragte Rupert spöttisch über die Schulter. Der arme Mann hatte die ganze Zeit zitternd und zusammengesunken in der Ecke der Kammer am Boden gehockt, die Hände vor das Gesicht gehalten und unablässig gebetet. Jetzt stand er mit unendlichem Erstaunen im Gesicht auf und näherte sich der Hebamme. »Es lebt«, flüsterte er ergriffen. »Es lebt, es lebt!« Tränen liefen über seine blassen Wangen.
»Es ist ein Wunder«, murmelte die Hebamme und beobachtete kopfschüttelnd die Atemzüge des verschrumpelten Wesens. Es war kalt und blau gefleckt wie ein abgezogener Hase, doch es wimmerte leise und die dünnen Ärmchen bewegten sich. »Es ist ein Mädchen, Herr. Eine Tochter!«
»Jetzt kräftig mit Leinen abreiben, bis die Haut rot wird, dann in eine Decke einschlagen und warm halten«, sagte Rupert.
»Weiß ich selbst«, erwiderte die Hebamme mit fester Stimme.
»Na, wenigstens etwas«, grollte er.
Emsig nibbelte sie das Neugeborene, das jetzt den kleinen Mund aufriss und mit dünner Stimme krähte.
Pontefozzi schämte sich seiner Tränen nicht, während er seine Tochter betrachtete, deren Farbe von blau langsam zu violett wechselte.
»Es wird leben«, sagte die Hebamme, ohne ihr Rubbeln zu unterbrechen.
Pontefozzi nickte, dann wandte er sich seiner Frau zu. »Maria hilf«, flüsterte er und sank neben dem Bett seiner Frau nieder. »Wird sie es… überleben?«
»Ihr seid mir im Weg, beten könnt Ihr später«, knurrte Rupert ungehalten.
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