Der schwarze Magier
Sire? Wo bleibt Eure sprichwörtliche Weitsicht, wenn Ihr Euch aus Engstirnigkeit selbst schadet?« Rupert hatte leise gesprochen, dass es die anderen nicht hören konnten.
Richard strich sich nachdenklich seinen Bart und warf Rupert einen schnellen Blick zu. »De Cazeville, Ihr seid ein verdammt unbequemes Gewissen«, grollte er.
Rupert lächelte spöttisch. »Gewissen bestimmt nicht, unbequem schon. Wozu braucht Ihr sonst einen Berater?«
»Brauche ich den?«, fragte Richard zurück.
»Wie ein ungezogenes Kind ab und zu eine Tracht Prügel auf den Hintern braucht«, erwiderte Rupert und erhob sich.
Richard lachte und erhob sich ebenfalls. Er wandte sich zu Philipp um. »Mir soll keiner nachsagen, ich sei nicht großherzig. Nein, gewiss nicht. Ich verzeihe Wilhelm von Barres. Und Ihr, Philipp, erhaltet von mir als Zeichen meines guten Willens drei Schiffe aus meiner Flotte. Ihr hattet mich vor einiger Zeit doch einmal darum gebeten, nicht wahr?«
Verblüfft war Philipp aufgesprungen. Eben noch hatte Richard wegen einer Lappalie fast einen Krieg vom Zaun gebrochen, jetzt verschenkte er einen Teil seiner Flotte! Auch die anderen Ritter erhoben sich. Ein Raunen ging durch den Saal.
»Damit nicht genug! Alle meine Begleiter, Ritter, Barone, Grafen und Knappen, sollen aus meinem Schatz eine Zuwendung erhalten, höher als sie jemals für ein ganzes Jahr gewesen ist!«
Das Raunen schwoll zu einem ohrenbetäubenden Lärm an. Selbstzufrieden wandte sich Richard zu Rupert um. »Nun, wie war ich?«
Rupert atmete tief durch. »Eure Mutter hätte Euch als Kind öfters den Hintern versohlen sollen«, knurrte er, bevor er den Saal verließ.
Es war am 1. März. Eine Hand voll Reiter bewegte sich auf Taormina, die Residenz von König Tankred, zu. Der heftige Winterwind fuhr den Reitern unter die Umhänge und bauschte sie auf. Richard, der den kleinen Trupp anführte, wandte sich zu seinen Begleitern um.
»Wir wollen in Catania rasten«, schlug er vor. »Mich dürstet es nach einem Becher heißen Weins. Bei dieser Gelegenheit sollten wir bei den Reliquien der heiligen Agathe beten.«
Tankreds Spione hatten ihren König beizeiten über Richards Weg unterrichtet und Tankred entschloss sich kurzfristig, Richard entgegenzureiten. Als sich die beiden Könige kurz vor Catania trafen, sprangen beide gleichzeitig von ihren Pferden, liefen einander entgegen und umarmten und küssten sich wie die besten Freunde. Rupert betrachtete die Szene mit Unbehagen. Zwar wusste er, dass hinter der freundlichen Maske durchaus handfeste persönliche Interessen standen, allerdings war Tankred nicht unbedingt als Richards Freund zu bezeichnen, nachdem Richard Messina im Handstreich genommen hatte und seine Leute über die Wintermonate mit der Bevölkerung Messinas und deren Besitz nicht gerade friedfertig umgesprungen waren.
In trauter Zweisamkeit ritten Richard und Tankred in Catania ein. Klerus und Volk der Stadt empfingen sie in einer Prozession, sangen Hymnen und Lieder. Nach einem Gebet am Grab der heiligen Agathe lud Tankred den englischen König in sein Schloss ein und bewirtete ihn drei Tage mit allen königlichen Ehren. Zum Abschluss dieses Besuches machte Tankred vielfältige Geschenke: Gold- und Silberschalen, Pferde, Seidenstoffe.
Richard erhob sich, blickte auf die prachtvollen Geschenke, die zu seinen Füßen ausgebreitet lagen, dann strich er sich über den Wams. »Ich bin geehrt und gerührt von Eurer Großherzigkeit, lieber Tankred. Ihr beweist mir Euren aufrichtigen Friedenswillen und ich danke Euch für diese hochherzige Geste. Ich möchte Euch nicht beleidigen, doch ich kann diese prachtvollen Geschenke nicht annehmen.«
Die Ritter, Grafen und Herzöge an der langen Tafel raunten beunruhigt. Richard beugte sich vor, nahm aus einer Silberschale einen kleinen, fast unscheinbar wirkenden Ring und steckte ihn sich an den Finger. Er blickte Tankred an, während er die beringte Hand vorstreckte. »Mit diesem Ring wollen wir unsere gegenseitige Zuneigung besiegeln wie den Bund einer Ehe«, sagte er.
Rupert hielt den Atem an. Dieser englische König war das Unglaublichste, was ihm je begegnet war. Wie ein Leopard auf dem Sprung wartete Rupert auf die Reaktion des sizilianischen Königs. Doch Tankred hatte feuchte Augen und fiel Richard um den Hals. Angewidert wandte Rupert sich ab. Mein Gott, Richard, warum veranstaltest du dieses üble Spiel? Tankred benutzt dich doch nur, siehst du das nicht?
Richard sah nichts, im Gegenteil.
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