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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gesagt.«
    »Vergiß sie, Hans. Ich sage dir das als dein bester Freund: Du gehst an diesem Mädchen zugrunde.«
    »Wir können beide zugrunde gehen.«
    »Du weißt es, und trotzdem ziehst du keine Konsequenzen? Bist du plötzlich ein Masochist geworden? Ist es dir eine innere Freude, dich selbst zu zerstören? Hans …«
    »Rufst du mich deswegen an?«
    »Ja!« Freiburgs Stimme wurde eindringlich. »Ich mache mir Sorgen um dich. Ich habe Angst um dich. Du warst den ganzen Abend nicht zu Hause. Das kenne ich nicht von dir.«
    »Nimm an, ich habe den Hörer nicht abgehoben, um nicht gestört zu werden.«
    »Jedem würde ich das glauben – dir nicht! Also, die Wahrheit, Hans. Du warst essen, gut. Aber wie ich dich kenne, bist du dann sofort wieder nach Hause gefahren. Seit dem Tod deiner Frau war das immer so – warum heute nicht?«
    »Aus Bildungshunger.« Rathenow wischte sich über die Stirn. Wie nahe Freiburg an der Wahrheit ist! Aber die Wahrheit wird er nie erfahren. Darf er nie erfahren.
    »Was ist das – Bildungshunger?« rief Freiburg empört. »Hast du die Herkunft deines Jägerbratens erforscht?«
    »Ich hatte Unterricht …«, sagte Rathenow gedehnt.
    »Was hattest du? Komm sofort her! Du halluzinierst. Nervenfieber. Nein, ich komme zu dir. Rühr den Wagen nicht an! Unterricht …«
    »Eine Art Volkshochschule – aber spezieller.«
    »Du hast einen Kursus besucht? Du? Was willst du denn noch lernen?«
    »Den Umgang mit einem inneren Vakuum. Aber das verstehst du nicht.«
    »Das kann auch keiner von mir verlangen. Sag es doch einfacher: Du hast gesoffen.«
    »Nenn es so.«
    »Aus Kummer, Liyun nicht bei dir zu haben. Hans, du gehst elend vor die Hunde! Vergiß das Porzellanpüppchen mit den Mandelaugen! Werde wieder vernünftig. Komm endlich – auch mit dem Herzen – nach München zurück! Löse dich innerlich von diesem verdammten China! Du wirst Liyun doch nie wiedersehen, und das mit der Einladung ist doch Quatsch!« Rathenow hörte, wie Dr. Freiburg seufzte. »Leg dich ins Bett, nimm Baldrian und schlaf dich gesund. Morgen bist du vielleicht vernünftiger. Übrigens: Laß das Schlafzimmerfenster nicht offen, wenn du Baldrian genommen hast – Baldrian lockt die Katzen an.«
    Rathenow legte auf. Irgendwie war er Freiburg dankbar, daß er an diesem späten Abend – nein, es war ja schon Nacht – noch angerufen hatte. Freiburg war so erfrischend mit seinen Sprüchen.
    Als der Wecker um halb acht klingelte, schrak Rathenow hoch, als habe man ihn gestochen. Er brauchte ein paar Sekunden, um sich zurechtzufinden und zu begreifen, daß er wirklich in seinem Bett lag. Er hatte gerade geträumt, daß er nackt auf einer Müllhalde lag, die tote Liyun im Arm, deren Rücken durch eine MP-Garbe zerfetzt war. Das Blut floß noch aus ihr und überströmte seinen Körper. In diesem Augenblick war er aufgewacht.
    Während er nach einer kalten Dusche frühstückte – es würde ein heißer Sommertag werden, der Himmel war wolkenlos und blau-silbern –, kam der Kundendienst für das Fax. Ein netter Monteur in einem Blaumann, eine Baseballmütze in das Genick geschoben.
    »Ich habe den falschen Beruf, Herr Doktor«, sagte er fröhlich. »Bei diesem Traumwetter muß ich Fax-Geräte, Fotokopierer und Telefone reparieren. Wäre ich Installateur, könnte ich mich überall unter die Dusche stellen. Was fehlt denn unserem Patienten?«
    »Alles!« Rathenow ging mit dem Monteur in sein Arbeitszimmer. Der Schreibtisch war übersät mit Papieren und Zeitungsausschnitten; auf dem Boden stapelten sich Bücher über den Fernen Osten. Das war normal. Nicht nur, weil sich Rathenow vor großen Reisen immer genau informierte, er brauchte diese Unordnung einfach. Es war, wie er es nannte, ein ›wohldurchdachtes Chaos‹, in dem nur er sich zurechtfand. Wehe, wenn hier jemand aufräumte! Die Putzfrau, die zweimal in der Woche für fünf Stunden kam, hatte es einmal versucht und den Schreibtisch geordnet. Einmal und nie wieder! Die Putzfrau hatte Rathenow noch nie so wütend gesehen. Seitdem guckte sie immer zur Seite, wenn sie den Teppich im Arbeitszimmer saugte.
    »Das Miststück versendet nur leere Blätter.«
    Der Monteur sah Rathenow fragend an. »Haben Sie auch die Vorlagen mit der richtigen Seite eingelegt? Bei diesem Apparat muß die Schrift nach unten.«
    »Fangen Sie bloß nicht an wie Ihre Kollegin am Telefon! Ich benutze das Gerät seit fast einem Jahr!«
    »Was wir so alles erleben, Herr Doktor. Unglaublich! Aber es kann

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