Der Schwarze Mandarin
bedruckt – auf der linken Seite in Chinesisch, auf der rechten Halbseite in Englisch. Min hob bedauernd die Schultern.
»Wir haben es nicht in Deutsch. Du bist der erste Deutsche Triade, Bai Juan Fa. Verstehst du das Englisch?«
Rathenow warf einen Blick auf den Text und nickte.
»Ja. Ich verstehe es.« Er wollte das Papier zusammenfalten und einstecken, aber Min griff sofort nach seiner Hand und hielt sie fest umklammert.
»Nichts geht nach draußen!«
»Ich soll das alles hier auswendig lernen?« Rathenow überflog noch einmal die vielen Zeilen. »Das wird schwer, Min Ju. Ich bin nicht wie ein Schauspieler ans Auswendiglernen gewöhnt.«
»Du hast Zeit. Jeden Abend ein paar Erkennungszeichen: ›das Anfassen einer Teetasse‹, ›Das Überreichen der Eßstäbchen‹, ›das Greifen nach einer Reisschüssel‹ – alles hat für einen Triaden, der sein Gegenüber erkennen will, seine Bedeutung. Wer dir darauf nicht antwortet, gehört nicht zu uns, und du mußt wachsam und vorsichtig sein.«
»Und wenn es ein russischer Asiate ist?« fragte Rathenow. Ihm wurde ungemütlich bei dem Gedanken, sich in einen Kampf einzulassen.
»Dann rufe deine Brüder zur Hilfe. Wie – das eben sollst du lernen. Was unsere tapferen Vorfahren konnten, das kannst du auch. Unsere Zeichen sind unsterblich.«
»Ich bin aber kein Chinese, Min Ju!«
»Du bist Bai Juan Fa«, antwortet Min fast feierlich. »Das genügt – und außerdem ist Wang Liyun eine Chinesin.«
Rathenow verstand. Der übliche Wink. Mit Liyun hatte man ihn in der Hand.
Er zog das Papier wieder an sich und übersetzte stumm den englischen Text.
Anweisung zur Verständigung und zum Verhalten
bei persönlichen Problemen.
Dies ist ein Geheimnis, das im Herzen
verschlossen bleiben muß:
Wie man innerhalb der Gesellschaft eine Pfeife anbietet:
Die Pfeife muß auf eine bestimmte Weise angeboten werden: Ich halte die Pfei fe zwischen meinen beiden Daumen und Zeigefingern; die beiden Daumen müssen nach oben zeigen. Du nimmst sie in derselben Art, aber du preßt dei ne Daumen gegen meine, und wenn du zur Gesellschaft gehörst, dem Blumengar ten, dann wirst du die Pfeife vor dem Anzünden mit den Zähnen berühren.
Wie man Tee anbietet:
Stelle duftenden Tee auf den Tisch, und wenn du ihn anbietest, halte die Tas se am oberen Rand zwischen Daumen und Zeigefinger, der Mittelfinger berührt den Boden der Tasse.
Wie man ein Mitglied bei einem Gastmahl erkennt:
Man bietet Schnaps genau so an wie den Tee; wenn der Gast zu unserer Ge sellschaft gehört, wird auch er die Tasse mit drei Fingern berühren.
Wie man Reis anbietet:
Strecke deine Finger aus und lege die Eßstäbchen quer darüber, biete sie so dem Fremden an, der seinen Napf wegschieben wird, wenn er ein Mitglied ist.
Zeichen, die man im Kampf und beim Streit macht:
Wenn sich zwei Leute treffen und ein Wort das andere gibt, wird ein Mitglied eine Faust machen und den Arm heben; der Daumen soll dabei nach oben zeigen. Der andere wird sich freuen und sich sofort entschuldigen, wenn er ein Mitglied ist.
Wie man den anderen bedeutet, den Kampf wiederaufzunehmen:
Wenn Mitglieder bei einem Streit nicht zufriedengestellt werden und weiter kämpfen wollen, muß man zwei- oder dreimal in die Hände klatschen, und die Mitglieder werden kommen und ohne Pause weiterkämpfen.
Wie man sich Genugtuung für Beleidigungen verschafft:
Wenn ein Mitglied beleidigt wurde und Genugtuung verlangt, wendet es sich an seinen Mitbruder, wobei es die Finger an die Nase hält; jener wird sodann zu dem Beleidigten kommen und fragen, worum es geht; seine eigenen Angelegenheiten läßt er im Stich.
Wie man Verstärkung herbeiruft:
Wenn du einen Bruder triffst, dann halte deine Hände über den Kopf und klatsche. Fragt man nach dem Grund für dein Kommen, wirst du sagen: ›Seong und Pek brauchen Hilfe.‹
Wie man in den Kampf geht, und wie man sich zurückzieht:
Wir brauchen keine Zeichen zu geben, wenn wir uns mit unseren Kämpfern treffen; man binde sich nur etwas um den Kopf. Sollen sie sich zurückziehen, sagst du: ›soo laing‹ (fertig); willst du die Kämpfer ermutigen, sagst du: ›tan koh‹ (vorwärts).
Wie man sich im Dunkeln trifft und berührt:
Wenn ihr euch in tiefer Nacht trefft und einer den anderen an sich zieht, sprichst du in zwei verschiedenen Stimmlagen. Wenn du ihn an dich ziehst, in der einen, wenn du ihn losläßt, in der anderen. Merke genau auf die Stimmen.
Wie man entkommt, wenn man einen Mord
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