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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schublade auf – aber ehe er hineingreifen konnte, um eine Pistole hochreißen zu können, hielt Ninglin plötzlich ein Messer in der Hand, schleuderte es auf Yan, und die lange Klinge bohrte sich in seinen Unterarm. Mit weit aufgerissenen Augen taumelte Yan gegen die Wand. Blut färbte sein weißes Hemd mit großen roten Flecken.
    »Er war ein höflicher Mensch«, sagte Ninglin ungerührt.
    »Ein Erpresser!« Yan zog das Messer aus seinem Arm. Ein Blutstrom ergoß sich aus der Wunde. »Er wollte Schutzgeld erpressen! Wozu Schutzgeld?«
    »Damit nicht passiert, was dir jetzt passiert. Wir schützen dein Lokal, deinen Leib, dein Leben und das Leben deiner Familie. Ist dir das nicht einen kleinen Teil deiner Einnahmen wert?« Ninglin beugte sich über den Schreibtisch und zog das blutige Messer wieder an sich. Er wog es in der Hand, der Griff aus Eisenholz hüpfte in seinen Fingern. »Du hast uns beleidigt, Xiang. Du hast dich benommen wie ein betrunkener Lastenträger. Vor deinen Augen flimmert es, wenn du uns siehst, hast du gesagt. Und das hast du auch anderen chinesischen Freunden gesagt. Wie kann ein sehender Mann so dumm sein? Es heißt, die besten Weisen sind die Blinden, denn sie blicken nach innen und finden ihre Seelen. Werde ein Weiser, Yan Xiang.«
    Ninglin kam langsam um den Schreibtisch herum. Dabei sah er kurz Rathenow an. Es war ein Killerblick, der Rathenow den Atem stocken ließ. Ein Blick, der nichts Menschliches mehr an sich hatte.
    Mit der linken Hand faßte Ninglin an Yans Kehle und drückte sie zu, aber nicht so weit, daß er ersticken konnte, sondern nur wie gelähmt alles hörte und alles spürte. Seine Beine zuckten und knickten ein, aber Ninglin preßte ihn mit der linken Hand gegen die Wand. Dann schnellte seine Rechte hoch, mit der er das Messer umfaßt hielt – und der erste Stich mit der Klingenspitze traf Yans linkes Auge. Eine Drehung trennte es von den Sehnen und Nerven. Das Auge rutschte aus der Höhle und fiel auf den Tisch. Ein Blutfaden rann aus der leeren Höhle.
    »Ninglin!« brüllte Rathenow und stürzte nach vorn. »Nein! Laß ihn los! Du Ungeheuer!« Er wollte ihn zurückreißen von Yan Xiang, aber Ninglin drückte ihm weiter die Kehle zu und gab Rathenow einen Tritt gegen den rechten Oberschenkel. O ja, er war beweglich, sein Körper eine einzige Kampfmaschine, die man nicht überraschen und die sich nach allen Seiten zugleich wehren konnte. Einen Kung-Fu überrascht man nicht.
    Rathenow ächzte laut, hielt sich an der Tischplatte fest und mußte hilflos mit ansehen, wie Ninglin wieder sein spitzes Messer schwang und die Klinge in Yans rechtes Auge stieß. Auch hier eine schnelle Drehung, und die Augenhöhle war leer. Aus beiden Augen rann jetzt das Blut. Es sah aus, als weine Yan Blut.
    Yan Xiang hatte während der Blendung keinen Laut von sich gegeben, aber als Ninglin jetzt seine Kehle losließ, sackte er zu Boden und rutschte an der Wand entlang. Ninglin wischte sein Messer an einem Bogen Papier ab, der auf dem Tisch lag. Ein Schreiben des Ordnungsamtes, das bestätigte, daß das Lokal ›Lotos‹ in einwandfreiem hygienischem Zustand war.
    »Jetzt bist du blind und wirst ein Weiser werden«, sagte Ninglin mit einer so ruhigen Stimme, daß Rathenow erschauerte. »Und verhindere, daß man dir auch noch die Ohren putzt. Vor allem deine Frau sollte keine schmutzigen Ohren haben – sie würden zuerst geputzt werden.«
    Die Todesdrohung der Triaden.
    Rathenow spürte, wie Übelkeit in ihm aufstieg, ein Ekel, den er kaum noch beherrschen konnte. Er drehte sich um, er konnte den Anblick des Blut weinenden, augenlosen Yan Xiang nicht mehr ertragen.
    »Er hört doch gar nicht, was du sagst!« stammelte er.
    »Oh, er hört alles! Jedes Wort! Und er versteht es!«
    »Er ist doch halbtot!«
    »Das ist er nicht.« Ninglin kam um den Tisch herum. Jetzt hatte er nicht mehr diesen eisigen Killerblick. Die geweiteten Augen hatten sich wieder zu Schlitzen verengt. »Ein Chinese kann mehr vertragen, als du glaubst. Am Verlust seiner Augen wird er nicht sterben. Im Gegenteil: Er wird das Singen der Vögel klarer hören als wir, und er wird den Duft der Blumen intensiver riechen als jeder andere.«
    »Was seid ihr bloß für Menschen?« sagte Rathenow und schluckte seine Übelkeit hinunter. »Seid ihr überhaupt noch Menschen? Doch, ja, ihr seid Menschen! Euch Tiere zu nennen, wäre eine Beleidigung der Tiere.«
    »Und du, Bai Juan Fa, bist ein Hosenscheißer, mehr nicht!« Ninglin sah

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