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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Auftrag habe zu bestrafen. Und ich habe meine Ehre, die Arbeit gut zu tun.«
    »Ein Killer aus Berufung! Darüber sollte man ein Buch schreiben.«
    »Tu es, Hong Bai Juan Fa! Ich kann dir genug erzählen, um tausend Seiten damit zu füllen.«
    »Wie viele Menschen hast du schon getötet?«
    »Ich zähle nicht. Meinen ersten Auftrag bekam ich in Hongkong, da war ich dreizehn Jahre alt. Sie bezahlten mir dafür 50 Hongkong-Dollar. Weißt du, was es bedeutet, wenn ein immer hungernder Junge ohne Eltern plötzlich 50 Dollar bekommt? Und nur dafür, einem Mann in den Rücken zu stechen? Ich bin in Hongkong geboren. Meinen Vater und meine Mutter habe ich nie gesehen. Man erzählte mir später, ich hätte neben einem Stapel zusammengedrückter Kartons gelegen, die man verbrennen wollte. Ein Mann, der Ye Yimou hieß, wurde mein neuer Vater. Ich habe ihn nie geliebt, er hat mich geschlagen und getreten und in den Hafen geschickt, um zu betteln und zu stehlen. Und wenn ich nichts nach Hause brachte, gab es nichts zu essen, nicht für mich – ich mußte immer hungern. Und dann sagte Yimou eines Tages: ›Du stinkende Ratte, wasch dich und komm mit. Ich habe einen guten und einfachen Job für dich. In Kowloon, in einem Hotel, ist ein Engländer abgestiegen, der hübsche Jungen sucht. Zum spielen, verstehst du? Er zahlt gut, wenn du seine Wünsche erfüllst. Und das wird dein neuer Beruf sein! Es gibt so viele Männer, die kleine Jungen lieben. Bei ihnen kann man Gold graben wie in einem Bergwerk. Ninglin, wir werden reich werden durch deinen Hintern, deine zarten Hände und deine flinke Zunge! Los, wasch dich, du Stinktier.‹ Und ich habe mich gewaschen, sonst hätte er mich wieder mit dem dicken Bambusstock verprügelt.«
    Ninglin schwieg und starrte auf die hitzeflimmernde Straße. Die Bilder seiner Jugend spulten sich vor seinen Augen ab wie ein zu schnell gedrehter Film. Bilder, die er nie vergessen konnte. Ein kleiner, schmächtiger Junge in verwaschenen, geflickten Jeans und einem roten, viel zu großen Hemd. An der Hand von Ye Yimou fuhr er mit der Fähre von Hongkong Island hinüber nach Kowloon. Ein großes, internationales Hotel, ein Lift, eine Suite mit Möbeln und einer Pracht, wie sie der Junge noch nie gesehen hatte. Und ein dicker Mann kam auf ihn zu mit roten Backen und schütterem Haar und begutachtete ihn wie einen Hund, den er kaufen wollte. Und dann war Ye Yimou gegangen, nachdem der fette Mister ihm einige Scheine in die Hand gedrückt hatte, und der Dicke kam auf ihn zu und knöpfte sich dabei die Hose auf …
    »Was weiter?« fragte Rathenow, als Ninglin schwieg.
    »Die Polizei fand den Engländer am nächsten Morgen in seinem Bett. Erstochen. Ich hatte heimlich mein Messer mitgenommen. Von da an freute ich mich über jeden, den ich getötet hatte. Kannst du das verstehen?«
    »Nein.«
    »Das wußte ich. Du hast nie so gelebt wie wir Chinesen in den Slums von Hongkong. Über der Erde, unter der Erde, ein Labyrinth von Gängen, das die Häuser miteinander verband, eine eigene Stadt, in der die Menschen wie Ameisen herumwimmelten, wo sie auf jedem freien Fleck schliefen, ein Rattennest, in dem sie sich gegenseitig umbrachten, bestahlen und zu Krüppeln schlugen, ein Leben, das nur der überstand, der der Stärkere war. Selbst Polizeikontrollen wagten sich nicht in dieses Stadtviertel hinein … sie wären nie wieder herausgekommen. Ja, es war eine vollkommene Stadt mit allen Geschäften, die man sich denken kann. Gold- und Silberschmiede, Gewürzhändler, Fleischer, Wäschereien, Bäcker, Schneider, Schuster, Gemüseläden, Garküchen, sogar zwei Puffs gab es da. Man brauchte also gar nicht hinauf in die Stadt zu gehen, man konnte da leben in einem eigenen Reich. Und natürlich gab es Opiumkocher, Heroinsieder, Haschpresser, Kokaindestillateure und Schwule jede Menge, aber nur für die Fremden. Griff einer einem Genossen an den Arsch, wurde er so geschlagen, daß er nie wieder auf den Gedanken kam, uns anzurühren, und tat er es doch, mehrmals, dann schnitten wir ihm die Eier ab. Meistens verbluteten sie dann, denn niemand wollte sie pflegen. Die Toten warf man in die Abwasserkanäle, aus denen sie ins Meer geschwemmt wurden. Das war unser Leben, Hong Bai Juan Fa … aber das sieht natürlich kein Tourist, dem man Hongkong zeigt. Das Wonderful-Hongkong ist nur eine Fassade, eine Lüge, und wenn die Touristen die Nachtmärkte in Yau Ma Tai besuchen und glauben, das ›echte China‹ zu erleben, dann ist das

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