Der Schwarze Mandarin
sind ein guter Mensch.«
»Ob ich das bin, wird sich zeigen. Vielleicht sagst du eines Tages: Ich bin froh, daß ich wieder wegfahren kann.«
»Bestimmt nicht!« Er sah nicht ihren merkwürdigen, fragenden, unsicheren Blick, der mit Angst gemischt war. »Wenn ich Ihnen lästig falle, wenn ich Sie beim Schreiben störe, sagen Sie ruhig: Fahr zurück nach Saarbrücken!«
»Du glaubst, ich könnte so etwas zu dir sagen?«
»Sie haben Ihre eigene Welt, und ich bin in sie eingedrungen. Ich gehe sofort, wenn Sie wollen.«
»Liyun! Ich habe dich zu mir geholt, weil … weil ich immer den Wunsch gehabt habe, dich wiederzusehen. Daß mein Antrag mit allen Unterlagen verlorengegangen ist, wußte ich nicht. Ich habe immer auf eine Nachricht von dir gewartet.«
»Und ich auf Ihre.«
»Und dann hast du angerufen, du bist in Deutschland … Ich wäre vor Freude fast an die Decke gesprungen!«
»Bitte nicht … das tut weh.«
In diesem Moment vergaß Rathenow alle Bedenken. Er riß Liyun an sich, und als sie den Kopf hob, küßte er sie, und sie wehrte sich nicht. Sie erwiderte seine Küsse, und ihre Hände streichelten seinen Nacken, seinen Rücken und wühlten in seinen Haaren. Er spürte ihren Körper, den Duft ihrer Haut, als er ihren Hals und die nackten Schultern küßte, und ihre Zungenspitze liebkoste seine Ohrmuschel, strich über seine Lippen und seine Stirn und seine Halsbeuge. Und sie zuckte auch nicht zusammen, als seine Hand nach ihrer Brust tastete und dort liegen blieb.
»Ich liebe dich …«, sagte er. »Liyun, ich liebe dich!«
»Ich dich auch, mein Kaiser …«
Und sie wehrte sich nicht, als er sie auf die Arme nahm und hinauftrug über die breite Treppe, mit dem Fuß die Tür seines Schlafzimmers aufstieß und sie so vorsichtig, als sei sie aus dünnstem chinesischem Porzellan, auf das Bett niederlegte. Sie hielt seine Hand nicht fest, als er die Bluse über ihren Kopf streifte und die engen weißen Jeans von ihren Beinen zog. Mit geschlossenen Augen erwartete sie ihn und umschlang ihn, kam ihm entgegen, kreuzte ihre Beine über seinen Hüften und versank in einem Glücksrausch. »Ich sterbe … ich sterbe … mein Gott, ich sterbe …«, hauchte sie zitternd an seinem Ohr.
Später lagen sie dicht nebeneinander und sahen sich an. Er streichelte ihre Brüste, küßte ihre Brustspitzen, und sie legte den Kopf auf seine Schulter und strich über seine Brust mit den weiß gewordenen Haaren.
»Ich bin so unendlich glücklich«, sagte er. »Es gibt keine Worte dafür.«
»Ich auch, mein Kaiser.«
»Was heißt Kaiser auf chinesisch?«
»Bi Xia …«
»Und Kaiserin?«
»Bi Xia Niang Niang …«
Er zog sie über sich, und ihre Körper verschmolzen wieder miteinander.
»Du bist meine Niang Niang«, sagte er. »Für immer und ewig.«
»Für ewig, mein Kaiser. Auch im anderen Leben werden wir zusammenbleiben. Uns kann nichts trennen.«
»Auch der Tod nicht.«
»Auch er nicht. Ich werde immer bei dir sein. Wenn du stirbst, will ich bei dir sein und mit dir gehen. Es gibt für mich kein Leben mehr ohne dich.«
Rathenow küßte sie wieder. Er dachte an Min Ju und Ninglin und daran, daß der Tod ihm näher war als das Leben, wenn er sich von den Triaden löste. Liyun wollte bei ihm bleiben. Auch im Tod. Er begriff, was diese Worte bedeuteten.
Gott, laß nicht zu, daß sie mich töten.
Hilf uns, auf dieser Welt ein neues, eigenes Leben zu finden. Ganz gleich, wo. Nur Liyun und ich – mehr erbitte ich nicht. Liyun und ich – das ist für uns die Welt.
*
Mit Dr. Frantzen hatte Rathenow ein langes Gespräch geführt. Er entschuldigte Liyun, daß sie nicht angerufen hatte, und Dr. Frantzen hatte volles Verständnis dafür.
»Liyun war so aufgeregt«, sagte er lachend. »Geradezu kopflos. Dabei hat sie sich drei Tage lang geweigert, Sie anzurufen. Aber wir haben solange auf sie eingeredet, bis sie endlich zum Telefon griff. Und dann war sie wie ausgewechselt.«
»Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Herr Frantzen.«
»Liyun hat so begeistert von Ihnen erzählt.«
»Hat sie das?«
»Ja. Meine Frau und ich – vor allem aber meine Frau; Frauen haben da einen besonderen Draht – hatten den Eindruck, daß Liyun sich der Illusion hingibt, daß Sie mehr in ihr sehen als nur die Reiseleiterin, die Sie durch Yunnan begleitet hat. Das machte uns ein wenig nachdenklich.«
»Es ist keine Illusion, Herr Frantzen.«
»Wollen Sie damit ausdrücken, daß …«
»Ja, das will ich.«
Dr. Frantzen
Weitere Kostenlose Bücher