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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seidenanzug.«
    »Trotzdem, du wirst nie schön aussehen … mit diesen schrecklichen Haaren …«
    Sie lief ins Haus, und er hörte wieder ihr helles, perlendes Lachen.
    Ich bin verrückt, dachte er, als er ihr nachging. Total verrückt. Ein alter Baum, aus dem plötzlich ein neuer Trieb wächst.
    *
    Am nächsten Tag kauften sie in München ein.
    Und wie sie einkauften!
    Zehn verschiedene Sorten chinesische Nudeln, Sojasoße, Bambussprossen, Gewürze, von denen Rathenow noch nie etwas gehört hatte, getrocknete Pilze, Kräuter und Gemüse, Ananassaft aus Yunnan – Liyun gab Rathenow einen Kuß vor Begeisterung –, Kokosmilch in Dosen, das typische süße Gebäck, drei Sorten Reis, Mehl für die Dampfbrötchen, einen Wok zum Kochen, fünf Sorten Tee … Liyun wieselte an den Regalen des China-Ladens entlang und stopfte den Einkaufswagen voll. Bei den Flaschen mit den höllisch scharfen Soßen blieb sie stehen und sah sich nach Rathenow um.
    »Die auch?« fragte sie.
    »Alles, was du brauchst.«
    »Du ißt sie doch nicht.«
    »Vielleicht eine Messerspitze davon … aber du magst sie doch.«
    »Dann reicht eine Flasche zwei Jahre. Ich nehme nur La Jiao Jiang und Hei dou Jiang mit.« Sie blickte in den Einkaufswagen und schien erst jetzt zu merken, wie voll er war. »Das ist zuviel! Ich stelle was ins Regal zurück. Es ist viel zu teuer.«
    »Ist es dein oder mein Geld?«
    »Deins! Eben darum!«
    »Es bleibt alles im Wagen, was du ausgesucht hast!« Er hob drohend den Zeigefinger. »Niang Niang – keine Widerrede!«
    Sie nickte und deutete einen Knicks an. »Niang Niang gehorcht …«
    Rathenow kaufte Liyun ein Kostüm von Guy Laroche. Ein enges, rotes Kostüm mit feinen Goldfäden durchwebt. Es betonte ihre Figur, als sei es für Liyun in Paris maßgeschneidert worden. Sie sah darin so schön aus, daß die Verkäuferinnen zusammenliefen und sie bewunderten. Welch ein Figürchen! Welch ein chinesisches Püppchen!
    »Sie haben Glück«, sagte die Verkäuferin, die sie bediente. »Es ist das einzige Stück in Größe 34. Das Kostüm ist wie für Sie gemacht.«
    Während sich Liyun wieder umzog, bezahlte Rathenow das Kostüm an der Kasse, 3.999 Mark. Er hatte nicht gedacht, daß solch ein Stückchen Stoff mehr kostete, als ein mittlerer Beamter im Monat verdiente. Er steckte die Quittung schnell in seine Tasche und dachte daran, was die Leute sagen würden: »Du elender Protz! Weißt du denn überhaupt, wie viele Arbeitslose es in Deutschland gibt? Mit wieviel elenden Mark sie eine Familie ernähren müssen? Und du …«
    Später, auf der Rückfahrt nach Grünwald, fragte Liyun:
    »War es teuer?«
    »Was?«
    »Das Laroche-Kostüm.«
    »Es geht …«
    »Was heißt das, Bi Xia?«
    »Es hält sich in Grenzen bei Laroche.«
    »Also teuer! Ich schäme mich, daß ich Laroche überhaupt erwähnt habe. Das wollte ich nicht. Bringen wir das Kostüm sofort zurück …«
    »Das geht nicht. Gekauft ist gekauft.«
    »Du bekommst kein Geld zurück?«
    »Nein. Die Einnahme ist in die Kasse gebucht.«
    »Ich werde zu ihnen sagen: Sie haben mich betrogen! Sie müssen mir vorher den Preis nennen!«
    »Dafür ist das Preisschild da. Es hing an der Jacke.«
    »Bei uns in China stehen die Preise groß dran.«
    »Du bist nicht mehr in China, du bist in München, Schatz. Und außerdem: Wer bei Laroche oder Chanel oder Yves St. Laurent kauft, fragt nicht nach dem Preis. Man würde es als unanständig betrachten. Man kauft, was gefällt – das andere regelt der Ehemann oder sein Bankkonto.«
    Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange und zeigte dabei nach vorn. »Paß auf die Straße auf! Ich danke dir … Soll ich es morgen anziehen?«
    »Ja. Wir gehen morgen ins Theater … ins Gärtnerplatz-Theater. Dort spielen sie ›Eine Nacht in Venedig‹ von Johann Strauß.«
    Sie küßte ihn wieder und legte den Arm um seine Schulter.
    »Ich freue mich … Warst du schon mal in Venedig?«
    »Öfter.«
    »Allein?«
    »Mit meiner Frau. Das letztemal ein Jahr, bevor sie starb.«
    »Ist Venedig so schön wie auf den Bildern?«
    »Manchmal ja und manchmal nicht. Es ist eine sterbende Stadt. Eine Stadt auf Millionen Holzsäulen. Sie haben Jahrhunderte standgehalten – jetzt, durch die Zerstörung der Umwelt, verfallen sie.«
    »Werden wir auch mal nach Venedig fahren?«
    »Bestimmt … es ist die Stadt der Hochzeitsreisenden.«
    Sie sah ihn lange schweigend an, küßte dann wieder seinen Hals, und ihre Gedanken blieben an einem Wort hängen, an das sie nie

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