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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seite.
    Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Du kannst nicht damit essen.«
    »Ich will es versuchen.«
    »Das hast du immer gesagt. Aber in vier Wochen hast du es nicht gelernt. Weißt du noch, wie du auf der ganzen Fahrt durch Yunnan immer ein Besteck in deiner Tasche herumgetragen hast? Wie habe ich da gelacht! Und du hast immer gesagt: ›Wenn ich mit den Stäbchen essen muß, sitzen wir morgen früh noch hier.‹«
    »Ich weiß, ich habe mich blamiert. Ich habe mich saudumm angestellt. Aber ich habe geübt, mit den Fingern umzugehen.« Die Fingerübungen der Triadensprache. Ich habe gelernt, was man mit Fingern alles tun kann. Auch das Stäbchenessen. Min Ju hatte die Geduld, es mir beizubringen. Ein Cho Hai, ein Bruder der 14K, der mit Messer und Gabel ißt – unmöglich. Und er hatte so lange geübt, bis er es beherrschte. Min Ju hörte mit dem Unterricht erst auf, als er sah, daß ich ein einzelnes Reiskorn mit den Stäbchen aufnehmen konnte. »Versuchen wir's, Liyun. Gib mir die Stäbchen!«
    Als Rathenow tatsächlich die Hühnerstückchen, das Gemüse und den Reis mit den Stäbchen fassen konnte und sogar das Fleisch in die Soßen tauchte, ohne daß es hineinfiel, klatschte Liyun begeistert in die Hände.
    »Bravo!« rief sie. »Bravo!« Und dann sprang sie auf, kam um den Tisch herum und küßte ihn. »Ich liebe dich …«
    Rathenow aß nur wenig. Das Essen war eine Qual für ihn. Nach einigen Bissen legte er die Stäbchen quer über seine Schale. Liyun sah ihn mit weiten, ängstlichen Augen an.
    »Schmeckt es dir nicht?« fragte sie bedrückt.
    »Doch …«
    »Ist es so schlecht?«
    »Es ist köstlich. Einfach köstlich.«
    »Du lügst …«
    »Ich könnte dich nie belügen, Liyun.«
    »Du willst mir nur nicht weh tun. Ich weiß, ich habe schrecklich gekocht. Aber ich werde Kochen üben wie du das Essen mit Stäbchen. Oder ißt du lieber weiter europäisch? Braten, Steaks, Schnitzel? Ich will auch das lernen.«
    »Du kannst schon wunderbar kochen.«
    Sie antwortete darauf nicht und löschte die Flamme unter dem Wok. »Willst du noch die Suppe?« fragte sie enttäuscht.
    »Gern.«
    »Ich gebe sie dir gleich. Wer hat vorhin angerufen?«
    »Mein Verleger.« Nun lüge ich doch, Liyun. Nur noch diesmal. Heute abend … oder morgen, ja, besser morgen, sage ich dir die volle Wahrheit. Laß mich erst mit Min Ju sprechen, dann weiß ich, was uns erwartet. Es wird jetzt alles sehr schnell gehen. Entweder es endet mit einer Katastrophe, oder wir werden frei sein.
    »Ich soll ihn morgen besuchen. Um acht Uhr.«
    »So früh?«
    »Er ist ein vielbeschäftigter Mann, Liyun.«
    »Und du bist ein berühmter Mann! Dir kann man doch nichts befehlen!«
    »Es ist kein Befehl, es ist eine Bitte. Und außerdem sind wir Freunde.«
    Sie fragte nicht weiter, glaubte ihm. Sie aßen die Suppe. Zum Nachtisch brachte sie eine Schale gewürfelter Ananas mit einer Sahnehaube.
    »Ein fürstliches Mahl!« sagte Rathenow. »Du wirst mich doch mästen.«
    »Du hast ja kaum etwas gegessen.« Sie stützte den Kopf in beide Hände und nagte an der Unterlippe. »Ich muß dir etwas gestehen.«
    »Du siehst mich an, als hättest du etwas ganz Schreckliches verbrochen.«
    »Vielleicht habe ich das. Was du gegessen hast, war das erste Essen, das ich in meinem Leben gekocht habe.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Glaub es mir. Ich habe mir viel Mühe gegeben.«
    »Liyun, du bist ein Genie!«
    »Aber dir hat es nicht geschmeckt.«
    »Es war ein Meisterwerk! Nur … ich kann heute nicht viel essen. Ich … ich habe einen Druck im Magen. Ein Völlegefühl. So, als hätte ich mich den ganzen Tag vollgestopft.«
    »Es ist dir auf den Magen geschlagen …«
    »Was sollte mir …« Vorsicht! Hat sie etwas gehört, hat sie an der Tür gelauscht, als ich mit Min Ju telefonierte? – »Was soll der Grund sein …«
    »Ich habe zuviel Geld ausgegeben, nicht wahr? Ich habe so viel gekauft, und dann das Kostüm – da ist dir übel geworden! Verzeih! Ich bringe das Kostüm wieder zurück. Glaub nicht, daß ich eine Verschwenderin bin!«
    »Oh, mein kleines Bai-Mädchen.«
    Er sprang auf, zog sie an sich, und der innere Druck ließ nach. Sie küßte ihn mit einer Verzweiflung, als sei es ihr Abschied und sie müsse zurückkehren nach China.
    Am Abend sahen sie fern. Rathenow hatte im Programm einen Film gefunden, der genau richtig schien, Liyun auf die Wahrheit vorzubereiten, die ab morgen ihr gemeinsames Leben bestimmen würde.
    Es war ein Film aus der China-Town

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