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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mir.«
    »Man hat mich aus dem Auto geworfen. Auf der Straße nach Xingyi. Mit einem Lastwagen bin ich zurückgefahren. Es ist wahr. Es war ein braunroter Nissan mit Kunming-Nummer. Bringen Sie mich zum Kommissar. Ich will eine Anzeige machen!«
    Der Polizist zögerte, sah Liyun noch einmal an, stellte fest, daß sie keine Herumtreiberin war, und nahm sie mit zur Wache.
    *
    Im Flugzeug hatte sich Rathenow zurückgelehnt. Er hatte einen Kopfhörer für das Bordradio bekommen und eine kleine Tasche mit Waschzeug und Plastikrasierapparat. Zum Auftakt des langen Fluges hatte er eine kleine Flasche Champagner genommen. Jetzt erst fiel ihm ein, daß Liyun ihm gestern abend ein Geschenk gemacht hatte, das er zwar ins Handgepäck mitgenommen, aber noch nicht ausgepackt hatte. Er riß das bunte Seidenpapier auf und sah ein zusammengefaltetes Batiktuch. Aus dem Glockenturm des Goldenen Tempels.
    Rathenow entfaltete das Tuch und hielt es hoch. Es war in einem dunklen Blau eingefärbt. In Weiß tanzte ein graziles, zerbrechlich wirkendes Bai-Mädchen auf einer Wiese, umflattert von drei Tauben.
    »Schön!« sagte die Stewardeß, die Getränke servierte. »Wo haben Sie das schöne Tuch gekauft?«
    »Es ist ein Geschenk. Das Geschenk einer bezaubernden Frau, so bezaubernd wie dieses tanzende Bai-Mädchen.«
    »Sie muß Sie sehr liebhaben.«
    »Das weiß ich jetzt.« Rathenow nickte. »Sehen Sie mich an. Was sehen Sie?«
    »Einen glücklichen Mann?«
    »Nein! Ein altes Rindvieh! Ein blödes Rindvieh! Ein blindes Rindvieh!«
    »Das kann ich nicht beurteilen.« Die Stewardeß lachte laut. »Das müssen Sie besser wissen.«
    Rathenow breitete das Tuch über seinen Schoß aus und schloß die Augen. Es war ihm, als fühle er Liyuns Körper neben sich. Und er ließ das tanzende Bai-Mädchen auf seinem Schoß liegen, bis er in Hongkong landete …

Zweiter Teil
    Hongkong.
Die lebendigste, farbenprächtigste, reichste Stadt der Welt, aber auch die Stadt, in der die meisten Verbrechen begangen werden. In den Medien wird von Morden und Überfällen in New York, Rio oder Miami berichtet, Hongkong taucht nur sehr selten auf … nicht, weil es eine relativ friedvolle Stadt ist, sondern weil es hier gar nicht auffällt, wenn Menschen verschwinden, Ermordete nicht identifiziert werden können, das Ausmaß der ›stillen Verbrechen‹ so groß ist, daß die Polizei pflichtgemäß eine Akte anlegt, aber sonst mit Resignation feststellt: Wir werden die Täter ja doch nicht finden. Spektakuläre Morde versetzen die britische und die örtliche Polizei zwar in Aufregung, ein Heer von Spitzeln und Zuträgern wird mobilisiert, aber am Ende kommt doch nichts dabei heraus. Das Labyrinth der engen Gassen und Häuserschluchten von Wan Chai, Yau Ma Tei oder Cheung Sha Wan schluckt jeden Verdächtigen, oder er fährt mit einer Dschunke hinüber zur Insel Lantau und verschwindet in den Bergen. Außerdem gibt es in Hongkong und Kowloon ganze Häuserviertel, die durch Gänge miteinander verbunden sind, unterirdische Wege wie in einem riesigen Fuchsbau, in dem man sich rettungslos verläuft – und aus dem so mancher nicht wieder ans Tageslicht gekommen ist.
    Zugleich aber ist Hongkong der größte Einkaufsmarkt der Welt. Hier gibt es alles, wirklich alles – und das für die Hälfte dessen, was man in Europa dafür zahlen müßte: elektrische Geräte, Maßanzüge, angefertigt innerhalb von 24 Stunden, Seide und Brokat, TV-Geräte und Radios, Teppiche und handgeschnitzte Möbel, Porzellan, Statuen, Gemälde und Edelsteine – ein Paradies für den, der es versteht, Kopien von Originalen zu unterscheiden. Eine Stadt der Superlative – nicht nur für die von den Waren berauschten Käufer, sondern auch für das internationale Bandenverbrechen.
    Nirgendwo in der Welt wird so viel Schmuggelware ausgeführt wie in Hongkong. Von hier aus werden Rauschgift- und Menschenhandel organisiert, vor allem für die Bordelle in Thailand und Indien, aber auch für Amsterdam, Rotterdam, Paris, Rom, London, Hamburg und Berlin. Das Verschwinden junger Mädchen in China wird kaum noch registriert … über Guangzhou, Zhongshan und Shenzhen werden sie durch die New Territories in die ›Lichtstadt‹ gebracht und verschwinden für immer.
    Und hier in Hongkong, in feudalen Büros, als angesehene Geschäftsleute geschätzt, als Millionäre in der internationalen Gesellschaft ehrenvoll anerkannt, ob ihres Reichtums von vielen beneidet und Gastgeber großer Feste, leben die wahren

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