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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Inlandsflug. Wie Kewei gesagt hatte: Sie kommen überall durch. Als Deutscher, als Gelehrter, als seriöser Mann. Man wird Sie nie verdächtigen. Verdächtigen …?
    Die Hälfte des Fluges verschlief er. Der Alkohol – er hatte noch zwei Gläser getrunken, schön gekühlten Champagner – lag wie Blei in seinem Hirn. Dann sah er im Bordkino einen Film an, einen ziemlich dämlichen Film von einer Geliebten, die ihren verheirateten Liebhaber kastrieren will und dabei selbst umgebracht wird. US-Massenware, aber Rathenow sah den Film dennoch bis zum Schluß, weil er ihn von seinen eigenen Gedanken ablenkte.
    Frankfurt. Frühmorgens. Kühl und regnerisch. Aber hier herrschte immer Betrieb; der Flughafen summte und brodelte. Auch hier winkte man Rathenow durch, als er seinen Paß gezeigt hatte, und der Zollbeamte, müde vom langen Nachtdienst und kurz vor der Ablösung, sah Rathenow nicht einmal an. Das aufgegebene Gepäck wurde ja sowieso durchleuchtet. Nur ein paar Stichproben machte der schläfrige Beamte, und immer waren es Ausländer, die er aus der Schlange winkte. Chinesen, Malaien, ein Inder, zwei südländische Typen. Aufatmend betrat Rathenow den Vorraum der Auslands- und Transithalle, informierte sich, wo sein Flieger nach München abflog – es war in Halle A –, stellte sich auf das Laufband und fuhr hinaus in die große, langgestreckte Haupthalle. Der Anschluß nach München klappte vorzüglich – nur eine halbe Stunde Aufenthalt, und die brauchte man, um von Halle B zu Halle A zu kommen. Der Frankfurter Flughafen ist ein Alptraum … Sooft Rathenow ihn benutzen mußte, er hatte immer den Gedanken gehabt: Die Architekten dieses Labyrinths sollte man jeden Tag durch diesen Flughafen jagen … von A nach B, von B nach C, von C nach A. Und das mit großem Gepäck und ohne Gepäckkarren. Jeden Tag. Hin und her.
    Auf dem Flug nach München, nach der obligatorischen Durchleuchtung des Handgepäcks, wurde er von Minute zu Minute unruhiger. Als die Durchsage kam: »Wir befinden uns auf dem Landeanflug auf München, bitte schnallen Sie sich an, stellen Sie die Rückenlehnen Ihrer Sitze hoch, und stellen Sie das Raucher, ein …«, starrte er aus dem Fenster, sah das Häusermeer von München unter sich, das hellgraue Band der Autobahn, die jetzt am Vormittag belebten Straßen. Er spürte eine ungeheure Spannung in sich und das Gefühl aufkommender Panik.
    Wer wird mich erwarten? Was wird geschehen, wenn ich diesen dämlichen Nescafé und das Milchpulver abgeliefert habe? Wird man mich mitnehmen? Ich bin ihnen völlig ausgeliefert; ich muß ihnen gehorchen, wenn ich Liyun nicht gefährden will. Jede Gegenwehr wird bestraft, nicht allein an mir, auch an Liyun. Die Fotos in Kunming waren mehr als eine Mahnung – sie waren eine Drohung.
    Rathenow holte nach der Landung seine beiden Aluminiumkoffer vom Gepäckband, wuchtete sie auf einen Gepäckwagen, ging ungehindert durch die Zollsperre für ›Nicht anmeldepflichtige Waren‹. Keiner hielt ihn an, die automatischen Türen öffneten sich lautlos, und er schob das Wägelchen hinaus in die Ankunftshalle. Dort blieb er stehen und sah sich voller Unruhe um.
    Und da war er – ein schlanker, noch junger Chinese in einem schwarzen Anzug, aber mit einer flotten, modernen, bunten Krawatte. Du lieber Gott, warum so feierlich? In schwarzem Anzug. Oder bedeutete das: Sieh an, wir gehen zu deinem Begräbnis. Du bist schon tot! Gib das Zeug her, das du transportiert hast – und bereite dich auf dein Ende vor.
    »Herr Hans Rathenow?« fragte der junge Chinese in fast akzentfreiem Deutsch.
    »Ja«, antwortete Rathenow knapp.
    »Willkommen in der Heimat. Hatten Sie einen guten Flug?«
    Wie ein Reiseleiter, höflich, unverbindlich.
    »Woher wissen Sie, daß ich Rathenow bin?«
    »Wir haben Ihr Foto aus Hongkong.« Der Chinese lächelte ebenfalls dieses unergründliche Lächeln, das Rathenow von Kewei kannte, aber auch von Liyun. Ein Lächeln, das Rätsel aufgab. »Ich habe Sie sofort erkannt.«
    »Und nun?« fragte Rathenow steif. »Wie geht es weiter?«
    »Sie geben mir Kaffee und Milchpulver und können nach Hause fahren. Sie werden müde sein von dem anstrengenden Flug. Schlafen Sie sich aus!«
    »Zu gütig!« sagte Rathenow mit deutlichem Sarkasmus. »Was darf ich sonst noch?«
    Der Chinese tat, als verstände er ihn nicht. »Was Sie wollen, Herr Rathenow.«
    »Warum tragen Sie Schwarz?«
    »Oh, das ist meine Berufskleidung. Fällt Ihnen das auf? Ich bin beurlaubt worden, um Sie

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