Der Schwarze Phoenix
dem dicken Mann einen Klaps auf den Rücken. Dann wandte er sich an Jonathan.
»Arthur gibt sich gerne bescheiden und tut so, als wäre er nichts Besonderes, aber glaub ihm kein Wort. Er hat einen besseren Riecher für Skandale als alle anderen Reporter in Darkside. Er hat Hunderte der faulsten Geschichten der gesamten Schattenwelt aufgedeckt.Erinnert ihr euch an die fürchterliche Epidemie in der MacPherson-Baumwollfabrik? Die Arbeiter fielen um wie tote Fliegen, aber niemand konnte sich erklären, warum. Bis unser Star-Reporter auftauchte und herausfand, dass ein frustrierter Arbeiter das Wasser vergiftete hatte. Und das ist nur eine seiner berühmteren Geschichten! Ich könnte noch viele andere erzählen …«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es nicht täten«, erwiderte Arthur säuerlich, obwohl Jonathan vermutete, dass der Reporter die Lobeshymnen insgeheim genoss.
Carnegie grinste verschlagen.
»Die meisten Leute hier bevorzugen es, wenn ihre Verbrechen unentdeckt bleiben. Du musst ein beliebter Mann sein. Wie viele Typen haben schon versucht, dich umzubringen?«
»Zu viele«, entgegnete Arthur niedergeschlagen. »Vermutlich wird mich bald einer erwischen.«
»Es ist wirklich ein Wunder, dass er noch am Leben ist«, bemerkte Lucien. »Gute Arbeit, außerdem. Ohne Arthur würde der Kurier untergehen.«
Er humpelte zum Schreibtisch zurück und ließ sich erleichtert in seinen Stuhl fallen.
»Nun, da wir uns alle miteinander bekannt gemacht haben, wollen Sie nicht Mister Carnegie erzählen, warum Sie ihn hierher gebeten haben?«
Arthur ging zum Fenster und spähte hinaus, bevor er vorsichtig die Fensterläden schloss. Zufrieden, dass niemand mehr ihr Gespräch beobachten konnte, ließ ersich auf einem Stuhl nieder, der unter der Last seines Gewichts ächzte.
»Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich per Zufall darüber gestolpert bin.« Er blickte auf. »Ich war unten am Teufelskai und habe einige Hafenarbeiter wegen ein paar verdächtiger nächtlicher Lieferungen um das Rafferty-Lagerhaus herum ausgefragt. Während wir uns unterhielten, machte die Nachricht die Runde, dass in Lower Fleet eine Leiche gefunden worden war. Da ich ohnehin keine nützlichen Informationen aus den Arbeitern herausbekam, dachte ich mir, ich versuche es mal dort und sehe zu, was ich über die Sache herausfinden kann. Ich wünschte fast, ich hätte es gelassen.«
Arthurs Stimme hatte einen mitreißenden, fast lyrischen Klang. Jonathan ertappte sich dabei, wie er sich nach vorne lehnte, um ihm zuzuhören. Das Klappern der Druckerpressen verschwamm zu einem Hintergrundbrummen.
»Ich war kurz davor, aufzugeben und nach Hause zu laufen, als ich an einer schmalen Gasse im Zentrum von Lower Fleet vorbeikam. Was ich dort sah … war nicht gerade ein schöner Anblick.« Er machte eine Pause. »Ein männlicher Körper lag mitten auf der Straße. Zumindest das, was von ihm übrig geblieben war. Er sah aus, als hätte ihn ein Haufen wilder Tiere in Stücke gerissen. Bei diesem Anblick wurde mir fast übel. Zu dieser Zeit war niemand sonst dort. Die Gasse wirkte verlassen, und es sah nicht so aus, als würde jemand vorbeikommen und Anspruch auf den Leichnamerheben oder ihn fortschaffen. Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, sah ich mich um und versuchte herauszufinden, wer der arme Teufel war.«
Der Gedanke daran, die Taschen eines verstümmelten Körpers zu durchsuchen, ließ Jonathan erschaudern. Im Gegensatz zu ihm horchte Carnegie auf und sein gelangweilter Gesichtsausdruck verschwand.
»Was hast du gefunden?«
»Das Übliche: Münzen, Streichhölzer, einen Schlüsselbund. Nichts, womit man ihn hätte identifizieren können.«
Lucien beugte sich nach vorne.
»An dieser Stelle kommen Sie ins Spiel, Carnegie. Wir möchten, dass Sie uns helfen herauszufinden, wer dieser Mann war und was ihm zugestoßen ist.«
Der Wermensch trommelte gedankenverloren mit den Fingern.
»Nun, das klingt ja alles sehr interessant, aber bevor wir übers Geschäft reden, müssen Sie mir eine Frage beantworten. In Darkside werden ständig Menschen umgebracht. Sie berichten, was geschehen ist, die Leute kaufen Ihre Zeitung, und das Leben geht weiter. Also hören Sie auf, mir Geschichten zu erzählen, und sagen Sie mir, warum Sie dieser Fall so besonders interessiert!«
Sein Tonfall war plötzlich kalt und hart wie Stahl. Lucien und Arthur sahen sich an, bis schließlich Ersterer nickte.
»Sieh mal«, begann Arthur, »ich habe die letzten Jahre
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