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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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Bei Carnegie hingegen pulsierte das Blut in den Adern. Er widerstand dem Drang, sich auf das Mädchen zu stürzen, und hob langsam eine Augenbraue an.
    »Ein freundliches Gesicht. Was für eine Überraschung.«
    »Ich bedauere, Sie zu stören, Mister Carnegie, aber die Angelegenheit ist dringend.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Ich scheine auf meine alten Tage berechenbar zu werden. Gehe ich recht in der Annahme, dass du nicht lange auf mich warten musstest?«
    »Eine Stunde, vielleicht zwei. Nicht lange.«
    Carnegie leckte sich die Reißzähne. Tief in seinem Inneren drängte ihn eine Stimme, ruhig zu bleiben, sie nicht zu töten und ihr lieber noch eine Frage zu stellen …
    »Wie bist du hereingekommen?«
    »Ich habe mich an dem Metzger vorbeigeschlichen, als er nicht hingesehen hat. Es war nicht schwierig.«
    »Es mag vielleicht ein bisschen altmodisch klingen, aber du hättest mich in meinen Räumlichkeiten aufsuchen können.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Niemand soll sehen, dass ich Sie aufsuche. Es geht nicht nur um Vendetta – es gibt auch noch andere Gründe …«
    Ihre Stimme zitterte, aber sie riss sich zusammen, stand aufrecht da und blickte Carnegie direkt in die Augen. Sie arbeitet für Vendetta , ermahnte er sich. Sie hat dem Tod schon öfter ins Auge geblickt . Der Wermensch spürte, wie sein Puls sank und Mitleid in ihm aufkeimte.
    »Du hast mich beim Essen beobachtet?«
    Sie nickte.
    »Verzeih mir. Meine Tischmanieren sind nicht die besten.«
    Zum ersten Mal lächelte Raquella.
    »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mister Carnegie. Ich habe einen kleinen Bruder. Sie können mir glauben, ich habe schon Schlimmeres gesehen.«
    Carnegie lachte heiser und die Bestie in ihm verzog sich grollend in eine dunkle Ecke seiner Seele.
    »Komm mit. Hier können wir nicht reden. Wir werden einen Weg finden, dich in meine Wohnung zu schmuggeln.«

    Von seinem Beobachtungsposten am Fenster in Carnegies Arbeitszimmer sah Jonathan den Wermenschen die Metzgerei verlassen und mit einem großen, in einweißes Tuch gewickelten Stück Fleisch in seinen Armen die Straße überqueren. Die Rückreise aus Lightside war ereignislos verlaufen, aber er hatte eine Ewigkeit gebraucht, um von der Allee der Abgeschiedenheit zur Fitzwilliam-Straße zu gelangen. Als er Darkside durchquerte, spürte Jonathan, wie die faulige Atmosphäre der Schattenwelt ihn durchdrang, unter seine Fingernägel kroch und sich in seinen Haaren festsetzte. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber es war kein gänzlich unangenehmes Gefühl.
    Er trat vom Fenster zurück, als er Carnegie die Treppen hoch poltern hörte. Der Wermensch trat mit dem Fuß die Tür auf. Er kämpfte sich mit dem großen Stück Fleisch in seinen Armen ab und registrierte gelassen Jonathans Anwesenheit.
    »Oh. Du bist wieder zurück. Zieh die Vorhänge zu, Junge.«
    Jonathan tat, wie ihm geheißen war, und das Arbeitszimmer verdunkelte sich. Er ging hinüber zur Wand und drehte einige Gaslampen auf. Als Carnegie seinen Kampf mit dem Paket aufgab und es zu Boden fallen ließ, sah Jonathan das Blut in seinen Mundwinkeln und den abwesenden, animalischen Blick in seinen Augen. Das Bündel bewegte sich und ein schwarzer Stiefel sowie ein vertrauter, leuchtend roter Haarschopf kamen zum Vorschein.
    »Raquella! Geht es dir gut?«
    Jonathan starrte Carnegie an – fraß er jetzt schon seine Bekannten auf? Der Wermensch bemerkte seinen entsetzten Blick und schnaubte.
    »Keine Sorge, Junge. Ich bin satt.«
    »Ich wollte nicht … ich dachte nur …« Jonathan stammelte auf der Suche nach einer Antwort schuldbewusst vor sich hin.
    »Dann halt uns nicht auf!«
    Raquella befreite sich aus dem Tuch, stand auf und strich ihre Kleidung glatt. Sie bedachte Carnegie mit einem unheilvollen Blick und wandte sich anschließend Jonathan zu.
    »Du bist ja ein echter Kavalier«, zischte sie angesäuert. »Ich dachte, ihr Lightsider hättet Manieren.«
    »Ich bin nur überrascht, dich zu sehen, das ist alles. Was machst du hier? Wird Vendetta dich nicht umbringen, wenn er das herausfindet?«
    »Er ist noch dabei, sich zu erholen. Außerdem haben wir Vorsichtsmaßnahmen getroffen, wie du sehen konntest.« Sie warf einen verärgerten Seitenblick auf Carnegie. »Obwohl ich mir immer noch nicht vorstellen kann, dass dies der beste Plan war.«
    Der Wermensch zuckte mit den Schultern.
    »Du bist hier, oder nicht? Warum erzählst du uns nicht, was passiert ist?«
    Raquella seufzte und setzte sich. Sie

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