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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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herausgefunden. Versteht ihr? Sie ging zu der Ausstellung und hat dort etwas gesehen, das sie dazu bewogen hat, sofort nach Darkside zurückzukehren.« Jonathan wandte sich mit leuchtenden Augen an Carnegie. »Und ich wette alles Geld der Welt, dass es etwas mit James Arkel zu tun hatte.«

20
    Den Übergang zu durchqueren, fiel ihm jetzt leichter. Sein Körper zitterte zwar immer noch, als er die unsichtbare Grenze überschritt, und sein Herz flatterte wie die Flügel eines Kolibris, aber sein Verstand blieb ruhig und klar. Er kam jetzt besser mit den Höhen und Tiefen der beiden Welten zurecht, in denen er lebte. Jonathan war weder in Darkside noch in Lightside zu Hause, aber er konnte in beiden Welten überleben. Als er an einem klaren Wintermorgen in London ankam, spürte er ein gewisses Gefühl von Freiheit in sich aufkeimen.
    Er hatte Carnegie genötigt, ihm einen anderen Weg zurück nach Lightside zu zeigen, da er sich außerstande fühlte, den langen Weg zur Allee der Abgeschiedenheit auf sich zu nehmen. Widerwillig hatte der Wermensch schließlich nachgegeben. Er führte Jonathan zur Spitze eines steilen Hügels, der nördlich der Hauptstraße in der Mitte eines trostlosen Parks aufragte. Es war ein bedrückender Ort, leblos und farblos. Der Wind wehte scharf durch vertrocknetes Gras und Unkraut. Ein schmutziger Tümpel lag zu seiner Rechten. Keine Menschenseele war in der Nähe.
    Carnegie stapfte durch das Gras auf ein dichtes Gebüsch zu.
    »Ich habe diesen Übergang bereits ein paar Mal benutzt. Er mündet in Hampstead Heath in deinem London.«
    »Gut. Das ist in der Nähe der Galerie.« Jonathan hielt inne. »Das ist nicht weit von meinem Zuhause entfernt. Warum haben wir diesen Weg nicht schon das letzte Mal genommen?«
    Der Wermensch blieb stehen, warf ihm einen scharfen Blick zu und fuhr sich mit dem Jackenärmel über die Nase.
    »Oh, es tut mir leid, mein Junge. Habe ich dich aufgehalten?«, flötete er säuerlich.
    »So meine ich das doch nicht«, protestierte Jonathan. »Ich wundere mich nur, dass du mir diesen Übergang erst jetzt zeigst, das ist alles.«
    »Ich sage dir, wann du welchen Übergang nimmst, Junge. Dieser ist nur jetzt sicher, weil sich die Bande von Halsabschneidern, die hier normalerweise abkassieren, im ›Silbernen Käfig‹ verkrochen hat. Ich weiß das, weil ich heute Morgen gesehen habe, wie sie dort hineingegangen sind, und wenn die Jungs anfangen zu trinken, dann hören sie erst ein paar Tage später wieder auf. Ich mache das, was ich tue, nicht ohne einen guten Grund. Verstanden?«
    Jonathan nickte.
    »Gut. Lauf einfach geradeaus durch das Gebüsch. Die Luft sollte immer noch rein sein, wenn du zurückkommst, aber trödle nicht herum.«
    Carnegie drehte sich auf dem Absatz um und bahnte sich seinen Weg zurück durch das Unterholz. Jonathan machte ein paar zögernde Schritte in das Gebüsch und murmelte verärgert über die Launen des Wermenschen vor sich hin. Trockene Zweige und Äste knackten unter seinen Füßen. Brombeerranken rissen an seiner Kleidung und Haut. Sie waren spitz und zäh wie Stacheldraht. Aber dann endete das Gestrüpp überraschend abrupt und Jonathan sah Londoner vorbeijoggen und mit ihren Hunden spazieren gehen.
    Hampstead Heath war seine Lieblingsgegend gewesen, als er jünger gewesen war, und er kannte die verschlungenen Pfade wie seine Westentasche. Hin und wieder hatte sein Vater hier mit ihm ausgedehnte Spaziergänge unternommen. Dies waren die seltenen Gelegenheiten gewesen, zu denen sie etwas Zeit miteinander verbracht hatten, auch wenn Alain darauf bestanden hatte, dass sie schwiegen. Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein. Alles hatte sich verändert.
    Nun war er zurück in Lightside, und die Versuchung war groß, sich nach Osten zu wenden und nach Hause zu gehen. Aber Jonathan wusste, dass er dann erzählen müsste, was er entdeckt hatte, und Alain würde viele Fragen stellen, und Miss Elwood würde unzählige Einwände erheben, aber dafür war die Zeit zu knapp. Außerdem würde Alain darauf bestehen, ihn zur Galerie zu begleiten, und dafür war er einfach noch zu schwach. Jonathan wurde bewusst, dass dies dieselbe Entscheidung war, die seine Mutter vor vielen Jahren getroffen hatte und die dazu geführt hatte, dass sie verschwundenwar und nur eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Würde er sich jetzt auch in Luft auflösen?
    Stattdessen verließ Jonathan Hampstead Heath in südlicher Richtung, joggte den Parliament

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