Der schwarze Prinz
seine Gefährten einen Eid leisten und befreite sie wieder von ihren Ketten.
So kam es, dass die Aesir unter Odins Befehl die Vanir Freyja entführten, um ihr das Geheimnis der Niflungenfestung zu entlocken.
Freyja war eines der schönsten und mächtigsten Geschöpfe meines Vaters, und sie hatte ihm beim Bau seiner Festung geholfen. Sie war von so edlem Geist und derart rechtschaffen, dass sie auch Gullveig genannt wurde - goldener Pfad - und von den Ihren aufgrund ihrer großen Weisheit oft als Rechtsprecherin und Ratgeberin herangezogen wurde.
Odin, Loki und Hoenir folterten Freyja viele Tage und Nächte lang mit den Klingen ihrer Speere, um von ihr die Auskunft zu erpressen. Sie verweigerte sich ihnen aber so standhaft, dass die Aesir sie schließlich mit Öl übergossen und sie in Brand steckten. Bis nichts weiter übrig war als Asche.
Wie groß war ihre Überraschung jedoch, als die Asche sich plötzlich neu formte und Freyja wieder daraus hervorstieg. Noch einmal unterzogen sie sie der Marter mit Speeren, Messern und Brandeisen. Doch auch dieses Mal hielt Freyja allem stand und hütete das Geheimnis meines Vaters. Also errichteten sie diesmal einen gewaltigen Scheiterhaufen, fesselten sie darauf und verbrannten sie ein zweites Mal.
Einen Tag lang und eine Nacht schürten und nährten sie das riesige Feuer. Doch am nächsten Morgen entstieg Freyja wie neugeboren der noch heißen Asche.
Und wieder folterten sie sie, um sie zu nötigen, ihnen zu verraten, wie sie in Andvaris Festung gelangen konnten, um seinen Schatz und den Ring zu stehlen, doch Freyja blieb eisern und treu. So brachten sie sie nach Muspelheim und warfen sie in den größten Feuerschlund, den sie finden konnten, um sie ein für alle Mal zu vernichten und die Spuren ihrer Untat zu verbergen.
Aber auch dieses dritte Mal wurde Freyja wiedergeboren, und die Aesir erkannten, dass sie ihr nichts anhaben konnten, und ließen sie ihres Weges ziehen.
Als die Vanir erfuhren, was Odin und seine Spießgesellen einer der Ihren angetan hatten, zogen sie - wenn auch gegen den Willen Freyjas - wider die Aesir in die Schlacht, und es kam zum ersten Krieg der Schattenwelten.«
37
Havel
Bei Wusterwitz mündete der Kanal in die Havel, und das goldene Schiff passierte den Plauer See in Richtung Brandenburg. Innerhalb weniger Minuten fuhren sie an Ketzin vorüber und Werder, durch Potsdam hindurch und dann in nördlicher Richtung an Berlin vorbei. Svenya wünschte sich, sie hätten ein wenig Zeit, um auf die Spree abzubiegen und ins Herz der gewaltigen Stadt zu fahren, die sie schon immer einmal hatte besuchen wollen. Aber sie würde das ein andermal nachholen müssen - und war sich sicher, dass Hagen ihr dafür Skidhbladhnir ausleihen oder, besser noch, sie begleiten würde. Für einen Moment schwelgte sie in der Vorstellung, zusammen mit ihm in ganz normalen Straßenklamotten und ohne jede Mission (außer der des ganz eigenen Vergnügens) über den Kudamm zu ziehen und die Friedrichstraße, eine Currywurst zu essen und dann auf dem Gendarmenmarkt, im Nikolaiviertel oder auf der Museumsinsel einen Kaffee trinken zu gehen. Als sie sich das vor ihrem inneren Auge vorstellte, verwarf sie die Straßenklamotten und schloss mit sich selbst eine Wette ab, dass Hagen verdammt gut aussehen würde in einem Anzug. Sie seufzte lächelnd und konzentrierte sich dann wieder auf Hagens Bericht über den Krieg zwischen den Aesir und den Vanir.
»Alles in Ordnung?«, fragte Hagen - offenbar besorgt wegen ihres tiefen Seufzers.
»In bester Ordnung«, versicherte sie. »In allerbester. Fahr bitte fort.«
»Also gut.« Er räusperte sich, schaute sie noch einmal forschend an, entschied dann aber wohl, ihrer Versicherung Glauben zu schenken. »Wo war ich stehen geblieben? Ach ja - der erste Krieg der Schattenwelten: Die Asen merkten schnell, dass sie den Vanen an Macht, Klugheit und Zauberkraft nicht gewachsen waren, und Odin zog los, um in der Chaoswildnis Ginnungagaps den sagenhaften Brunnen des Mimir zu finden. Von diesem magischen Brunnen hieß es, dass er große Weisheit verlieh. Lange kämpfte sich der Ase durch die raue Ödnis, doch schließlich fand er, was er suchte. Neben dem Born lag Mimir im Schlaf, und Odin schlich sich an das Wasser heran. Aber als er davon schöpfen wollte, zog es sich unter seinen Händen in die Tiefen des Brunnens zurück, sodass er nicht daran gelangen konnte. Er nahm seinen Helm und fertigte aus seinem Umhang einen Strick, um das Wasser
Weitere Kostenlose Bücher