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Der schwarze Regen

Der schwarze Regen

Titel: Der schwarze Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flavio Soriga
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Herbste / während wir singen werden
    / das Gras
     
    Die junge Frau fährt fort, sie hat den gleichen Ton gefunden, liest die Worte, aber mit fast geschlossenen Augen, sie setzt Nicolas Gesang fort, die junge Frau mit dem granatapfelfarbenen Band:
     
    Abend heiser singend / unter roten / Kellerlichtern / streiten Trommler / weiße Hundeaugen
     
    Sie wiederholt:
     
    Abend heiser singend / unter roten / Kellerlichtern / streiten Trommler / weiße Hundeaugen.
     
    Sie sind angekommen, Nicola stellt den Motor ab, die junge Frau hat den Gesang beendet, das Buch geschlossen, auf das Armaturenbrett gelegt, sie lächelt, Diese Augen sind meine, sagt der Mann, Meine, die weißen Hundeaugen, sie steigt aus dem Auto, füllt den Benzinkanister, kehrt auf ihren Platz zurück, streichelt Nicolas Bart, Sie gehören allen, sagt sie, Wir haben alle solche Augen, manchmal, Ich habe sie heute Abend, erwidert er, bekommt einen Kuss auf die Wange, Fahr mich zu meinem Wagen zurück, sagt die junge Frau, sucht in einer Tasche, findet ein Tütchen, Ist das okay?, fragt sie, der Mann nickt, Besingen wir das Gras, denken beide, ohne etwas zu sagen, draußen regnet es ganz leicht, fast geräuschlos.

19
    Meloni hat recht, Maresciallo, du darfst ihn nicht anschnauzen wegen dem, was er dir gesagt hat.
    Hat er recht damit, dass du schwul bist? – seine Stimme klang dunkel, er hätte gern einen scherzhaften Ton angeschlagen, was er für das Beste gehalten hätte, aber dann hatte er doch wie ein Carabiniere geklungen. Das ist nicht die Stimme von jemandem, der einen Spaß machen will, sondern die eines Grobians oder böser Kneipenspäße oder nichts weiter, mir ist ein blöder Satz eines blöden Ermittlers herausgerutscht, sagte er sich, hoffte, der Junge würde vor ihm sprechen.
    Er hat recht, es gibt merkwürdige Gerüchte, ich soll mir einen Lidstrich ziehen, wenn ich tanzen gehe, dabei gehe ich höchstens zwei- oder dreimal im Jahr zum Tanzen. Er hat recht, die Leute behaupten das von mir, die Meinungen, die er gesammelt hat, stimmen. Das ist doch die Aufgabe eines Polizeischergen, oder? Aufnehmen, was die anderen sagen, und dann entscheidet der Chef, was er damit anfängt, ob er dem Gerede Glauben schenkt oder nicht. Ob ich schwul bin, steht auf einem anderen Blatt, das sage ich dir nicht.
    Aber die Sache mit dem Hund … – begann der Offizier, der junge Mann unterbrach ihn: Genau, Sie sind der Chef und Sie müssen entscheiden: Wenn es wahrscheinlich ist, dass man aus Bosheit einen Hund in meinem Garten gekreuzigt hat, dann wird es eben Bosheit gewesen sein, eine Rache aus verschmähter Liebe. Natürlich ist das Blödsinn, ein Riesenblödsinn, aber wenn Sie das so sehen wollen, Signor Maresciallo, sagen wir aus Bequemlichkeit, um Ihre Ruhe zu haben, na schön. Ich hab allerdings Fragen gestellt, habe andere Freunde angerufen.
    Er wollte nicht schon wieder den Ermittler herauskehren, zog an seiner Zigarre wartete noch eine Sekunde, Giovanni, sagte er, Du musst mir etwas erklären, warum siezt du mich manchmal?
    Weil du schließlich ein Unteroffizier der Carabinieri bist und ich ein Junge ohne rote Blutkörperchen und mit einem nutzlosen Studienabschluss.
    Hattest du dein Studium nicht abgebrochen?
    Ich war dabei zu promovieren, den Abschluss habe ich. Ich bin Philosoph, ein Philosoph, der sich einmischt, der keine Mülldeponie in dem Dorf will, in dem er lebt.
    Und was hast du entdeckt?
    Der junge Mann wartete eine Sekunde, auch er rauchte, Crissanti stellte ihn sich in seinem Rollkragenpullover vor, die Beine übereinandergeschlagen, mit müdem Blick, blasser Haut.
    Die Namen. Zumindest den des Hauptdrahtziehers. Der hinter der Gesellschaft der Mülldeponie steckt, der Cristiano Pisu für seine Arbeit bezahlt hat. Die Auftraggeber, die Bösen.
    Lass hören, sagte Crissanti zerstreut, Böse gibt es immer, hatte er sich gesagt, die wirklichen Bösen, weit weg und mächtig, dann sagte Giovanni den Namen, riss ihn aus seinen Gedanken, Der? – fragte er fast schreiend, der junge Mann bestätigte, sie saßen schweigend da und machten sich ihre Gedanken über die Macht, die, die man kennt, und die, die man sich vorstellen kann. Ein wirklich Böser, sagte der Maresciallo und versuchte erneut, scherzhaft zu klingen, der Freund antwortete nicht.
    Was willst du tun?
    Er bezog sich damit auf den Artikel, fragte aus Neugier, um sich zu verteidigen, aber die Frage klang bedeutender: Was, fragte sich Crissanti, können wir eigentlich tun, angesichts

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