Der schwarze Regen
oben in die Berge hinaufverirrt hatte, die Gemeinplätze, die schmelzen wie in der Sonne von Orosei, der Kleinwuchs und die Dunkelhäutigkeit der Inselbewohner, und da ist er, Onkel Luciano breit wie ein Schrank, anmutig auch, Beine aus Stahl, knotige Hände, Onkel Pruneddu, kaum älter als dreißig, glattes schwarzes Haar in der Stirn, da ist er, der Kleine mit seinen ein Meter achtzig, sein Blick standhafter als der eines Löwen, scharfe Augen des Falken, der die Beute anvisiert, leise Erzählungen in den granitenen Gassen, die Feuchtigkeit der von Künstlern aus den Anden bemalten Mauern – das Wirtshaus das Rathaus der Schrot in den Schildern –, die Anwältin hat sich in ihn verliebt, in die Wärme seiner Samthaut, dreimal hat er sie gestoßen am Mittag jenes Tages, an dem er das Gefängnis verlassen konnte, wegen der Geschichte mit den Fälligkeitsfristen, denn wenn sie ihn wirklich nach San Sebastiano bringen, kommt er nach zwei Tagen wieder heraus, weil er dort mehr Freunde hat als im Dorf, sie brennen nach Korsika durch, er lässt sich ein neues Gesicht machen, jetzt schnappt sie niemand mehr, Martinos Vater wird immer dunkler im Gesicht und in der Stimme an dem Abend, an dem der Junge ihn heftig mit der Mutter hat streiten hören, über Geld und Gefängnis, über Verstecke und Banken, er hat nicht alles verstanden, aber er kann phantasieren, vermischt vergleicht verdreht, die Geschichten die Erzählungen die Beweisführungen, die Bravourstücke der Dorfbewohner, die Helden der gelesenen Bücher, die Eroberungen der anderen Banditen, die Algerier, die Carloforte zerstörten, und die Engländer, die Cagliari belagerten, ein paar Jahre zuvor hatte Onkel Luciano frei und fröhlich Martino auf die Knie genommen und ihm Klagelieder leichter als der Wind vorgesungen, Strophen von unmöglicher Liebe und Plagerei der Armen, Ninne’, hatte er lachend gesagt, Wenn du nicht anfängst zu essen, dann wird nichts aus dir, mit diesen mageren Schultern wirkst du wie ein kleines Mädchen, er hatte ihm die Haare zerzaust, hatte ihn eingeladen, manchmal mit ihm auszureiten, denn er lehrte ihn Dinge, wenn er Lust hatte zu lernen, Onkel Luciano, den keiner je hatte rauchen und etwas anderes hatte trinken sehen als Wein und Myrtenlikör und fileferru, den sardischen Schnaps, nie betrunken nie außer sich, nie schreiend, laut als kleiner Junge, als er das Jagdmesser auf den Barmann an der Hauptstraße gerichtet hatte, Entweder gibst du mir richtig heraus oder ich schlitz dich jetzt sofort auf, und er war eigentlich noch ein Kind, und die zu Eis erstarrten Freunde, die ihn erschrocken anstarrten, O Luciano, denn der andere hat den Krieg mitgemacht! Ich scheiß auf seinen Krieg, ob er etwa glaube, dass er nicht rechnen könne, dass er eine alte Memme sei und die Democrazia Cristiana wähle.
Onkel Luciano war zu einem Bild für alle geworden, das Foto in den Zeitungen, sein böses Lächeln im Fernsehen, das Interview mit dem römischen Journalisten, Ich habe nie jemandem wehgetan, nie hat ein Mensch durch meine Hand oder die meiner Freunde körperlich gelitten, nie – derjenige, der ihn anstarrt, fragt sich, ob er Witze macht, ob er lügt, um sich zu verteidigen, er sieht Überzeugung Sicherheit klaren Verstand, Und die Gefangenschaft, lässt er nicht locker, Ist das kein Leiden? Auch der Hunger, auch das Tragen von Schafen in den Wäldern für ein paar Lire, auch die Justiz, die uns schon vorher zu Schuldigen erklärt, auch die Durchsuchungen im Haus meiner Mutter, die nichts damit zu tun hat, auch der Berg, den sie umzäunen wollen, um ihren Park daraus zu machen, auch der Talk eingeatmet im Bergwerk in Orani, auch das sind Leiden, Leiden aller, des Volkes, das keine Stimme keine Macht hat, haben Sie jemals darüber nachgedacht? Und unsere Burschen, die für ein paar Lire die Toiletten an der Costa Smeralda putzen, und unsere Strände eingezäunt von den Feriendörfern, und die Leute von Sarroch getötet vom Erdöl der Mailänder, geht für all das etwa jemand ins Gefängnis? Denn wenn sie bezahlen, lassen wir sie nach zwei Tagen wieder frei, gesund wie zuvor, sie machen einen Ausflug ins Gebirge, das ist alles, denn all dieses Geschrei macht ihr Zeitungsleute doch nur, um Seiten zu füllen, das Land der Banditen, wo denn! Hier leben anständige Menschen, denkt nur an die Akademiker, an die Bücher, die in den Bibliotheken ausgeliehen werden, über andere Dinge werden wir sprechen müssen, ein Theater, baut uns eins, ein
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