Der schwarze Schattenjaeger
scheint ihm nicht zu gefallen, dass ich neben Joshua sitze und nicht neben ihm. Geschieht ihm aber eigentlich ganz recht. Wäre er etwas netter zu mir und nicht so ekelhaft schleimig, wer weiß? Wer weiß schon, was daraus hätte werden können? Ich komme mir vor wie in einem der Liebesromane, die ich zuhause horte. Ob es für mich auch ein Happy End gibt? Oder befinde ich mich in einem Drama?
„Ach, es ist nur … Ich mag hier gar nicht darüber reden und ich will dich damit auch nicht belasten“, sagt Joshua ruhig und lächelt mich an, als sei nichts gewesen.
„Wir können ja kurz hoch in Abbys Wohnung gehen, da stört uns niemand“, schlage ich vor. Den Schlüssel habe ich ja, und da Kimmy noch im Kindergarten ist, gibt es außer ihrem Kater „Sträußel“ niemanden.
„Schon gut, das ist auch eigentlich nicht so wichtig, ich übertreibe nur, alles ist gut“, sagt er gelassen und trinkt seine Limonade aus, die Tom ihm auffüllt.
Das ist so typisch. Nicht nur typisch für Joshua, sondern für jeden in meiner Umgebung. Immer bin ich das arme Mädchen, der es ja ach so schlecht geht. Niemand vertraut mir seine Probleme an, jeder versucht mir eine heile Welt vorzuspielen, da man mich nicht belasten möchte. Dass man mir damit aber weh tut, sieht niemand. Vertraut man mir nicht? Oder ist es wirklich so, dass man mich schonen möchte? Ich bin doch stark! Ich bin ein starker Mensch, ich halte vieles aus! Ich bin belastbar! Es ist nun mal so, dass Menschen sterben, und ja, tief in meinem Innersten weiß ich, dass meine Mutter nicht mehr lange leben wird. Vielleicht noch ein paar Monate oder Wochen. Vielleicht ist sie aber auch gerade jetzt schon tot und Sophie kommt durch die Tür, um mir zu sagen, dass ich von nun an eine Waise bin. Oder … es kommt alles anders und sie erholt sich wieder, besiegt den Krebs, der ihren Körper in Beschlag genommen hat und sie schwächer werden lässt. Tag für Tag. Vielleicht geschieht ja ein Wunder. Ich möchte daran glauben. Auch wenn es nur Träume sind und Wünsche, die ich jede Sekunde als Stoßgebet in den Himmel schicke, auch wenn ich nicht an einen Gott glaube. Ich glaube an die Medizin und an die Wissenschaft. In den letzten Jahren habe ich so oft gebetet und doch ging mein Wunsch nie in Erfüllung. Ich habe gebetet, dass mein Vater nicht stirbt und er ist doch gestorben. Ich habe gebetet, dass ich hier Freunde finde und bin doch allein. Und jetzt bete ich jede freie Minute, dass meine Mutter noch lebt, wenn ich nach der Arbeit zurück nach Hause komme und mir die Lunge brennt bei jedem Schritt, den ich den Berg hinauflaufe, um ja schnell genug oben zu sein. Um jede Sekunde zu genießen, die mir noch mit ihr bleibt.
Vielleicht kann ich ja doch mit Joshua reden, was Logan betrifft. Er ist schließlich ein Junge und müsste doch verstehen, was andere Jungs denken. Oder nicht?
„Kann ich dir denn was erzählen?“, frage ich ihn direkt und stopfe mir einen großen Berg Salat in den Mund.
„Klar“, meint Joshua, der sein Spiel stoppt und mich erwartungsvoll ansieht.
„Aber nicht hier, gehen wir hoch?“, frage ich ihn zögernd und stopfe mir weitere Gurkenscheiben und ein Stück Tomate in den Mund. Irgendwie macht mich die Situation ganz schön nervös. Über Gefühle rede ich eigentlich nie, aber man soll ja neue Dinge ausprobieren.
„Gut …“, meint Joshua, der seinen Laptop zuklappt, ihn in die Tasche verstaut und sein Getränk an sich nimmt. Ich nehme meinen Salat und sehe zu Abby, die sofort zu mir kommt.
„Wir gehen kurz hoch in deine Wohnung, da wir etwas zu bereden haben, aber ich bin pünktlich wieder unten“, kläre ich sie auf. Abby nickt nur freundlich, bevor sie zurück zu ihrem Mann geht, der von seinem heutigen Arbeitstag erzählt und dass Kimmy bitterlich geweint hat, als er sie in den Kindergarten brachte.
Gemeinsam gehen Joshua und ich die Treppen hinauf. Die Geräuschkulisse verstummt, als ich die Tür hinter Joshua schließe und er sich kurz im Wohnzimmer von Abby und Roger umsieht.
„Kann ich mich auf die Couch setzen?“, fragt er höflich. Ich nicke nur und drehe den Schlüssel von innen herum.
„Du schließt ab?“, fragt er weiter, während er seine Sachen auf dem Couchtisch abstellt.
„Ja, ab und an verlaufen sich Gäste hier hoch und stehen dann fragend hier herum. Es kam auch mal vor, dass Roger von der Arbeit nach Hause kam und Gäste auf der Couch saßen und etwas bestellen wollten. Zugleich haben sie sich gefreut, welch
Weitere Kostenlose Bücher