Der schwarze Schattenjaeger
habe.“ Joshua verzieht kurz das Gesicht, als würde er es wirklich zutiefst bereuen.
„Du hattest mal eine Freundin?“, frage ich ihn erstaunt klingend.
„Na ja, nein, eigentlich nicht. Kennst du noch Juli aus der Parallelklasse?“
„Klar. Hellbraune, glatte Haare, trug lange eine Zahnspange, schüchtern … Sie zog doch direkt nach dem Schulabschluss mit ihren Eltern nach Vancouver?“ Das war ja etwas ganz Neues! Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass Joshua noch nie eine Freundin hatte.
„Genau. Sie hat mich gefragt, ob wir zusammen auf den Abschlussball gehen, aber ich wollte ja eigentlich nicht hin. Wir haben dann etwas Zeit zusammen verbracht. Also, eigentlich sind wir nur ins Kino gegangen und danach noch in die Stadt. Als ich sie nach Hause brachte, haben wir uns geküsst, aber es ging von ihr aus.“
Während Joshua das so erzählt, wird mir schlagartig klar, dass wir eigentlich nie über solche Dinge geredet haben. Ist es überhaupt eine richtige Freundschaft, wenn man sich solche wichtigen, einschneidenden Lebensereignisse nicht erzählen mag? Wir gingen zwar beide in die gleiche Klasse, aber haben früher nie etwas miteinander zu tun gehabt. Erst als ich einmal nach dem Sportunterricht in der Umkleidekabine saß und weinte, kam er zu mir und hat mich getröstet. Das ist vier Jahre her. Seitdem ist er ein guter Freund.
Ich weite meine Augen, da ich diese Geschichte, die Joshua mir erzählt, natürlich spannend finde.
„Wir haben uns aber nicht nur geküsst …“, murmelt Joshua verlegen.
„Sondern?“, frage ich neugierig weiter.
„Na ja, um es kurz zu machen … Sie hat mich mit hoch in ihr Zimmer genommen. Du kannst dir ja denken, warum.“ Joshua zuckt kurz mit den Schultern. Ich merke an seinem Gesichtsausdruck, dass ihn diese Erinnerung belastet und nun fühle ich mich schlecht, da ich ihn daran erinnert habe.
„Eine Woche später ist sie nach Vancouver umgezogen. Sie wusste es schon vorher und wollte diese Erfahrung einfach hinter sich bringen. Tja, das ist jetzt fast zwei Jahre her und ja, ich bereue es. Also solltest du dich nicht mit Logan treffen. Selbst wenn es nur deine erste Verabredung ist, sie sollte schön sein.“
Wir schweigen uns eine Weile an, da ich gar nicht weiß, was ich dazu sagen soll.
„Du hast ja recht. Ich werde es nicht machen.“ Ich wage es, Joshua kurz anzusehen, doch er blickt nachdenklich zu Boden. So ein Mist aber auch, wegen mir fühlt er sich nun schlecht!
„Hör zu. Juli hätte das nicht machen dürfen, das war nicht fair. Ich habe sie eigentlich als liebes, nettes Mädchen in Erinnerung, was die Mädchen von unserer alten Schule angeht. Aber diese Meinung habe ich nun nicht mehr. Du bist ein guter Kerl, du hast jemand Besseren verdient. Da gibt es doch jemanden, oder?“ Da muss einfach ein anderes Mädchen sein, so wie Joshua sich verhält. Als ich das anspreche, lächelt er sofort und muss sogar grinsen.
„Na ja, da ist wirklich jemand. Aber ich wollte dich damit nicht belasten“, antwortet er mir, während er zu mir schaut und seine Augen zu funkeln beginnen. Mich nicht belasten? Also doch!
„Du belastest mich doch nicht. Niemand will mir irgendetwas erzählen, weil ich daran zerbrechen könnte oder weil ich ja schon genug Probleme habe! Aber das stimmt nicht! Es gibt so viele Menschen auf der Welt, denen es viel schlechter geht als mir. Sieh mich doch an, Joshua! Ich bin jung, ich bin gesund, ich habe ein Zuhause und eine Familie, ich habe einen Job und verdiene eigenes Geld. Das ist richtig gut und ich bin froh und dankbar, dass es mir so gut geht. Du belastest mich also keinesfalls, wenn du mir etwas erzählst. Bitte behandle mich nicht so wie meine Tante, die ich wirklich über alles liebe und schätze, die mich aber trotzdem wie ein kleines Kind beschützen will. Ich bin kein Kind mehr. Ich bin zwar erst am 24. Oktober neunzehn geworden, aber ich bin volljährig.“ Es tut gut, so frei und offen zu sprechen, und doch beginne ich zu blinzeln, da ich spüre, wie sich die Tränen in meinen Augen sammeln. Oh nein, ich werde hier nicht anfangen rumzuweinen, nicht nach meiner Ansprache, dass ich ja ach so erwachsen bin!
Joshua nickt und holt dann tief Luft, bevor er sagt: „Du hast recht, es tut mir leid.“
Wir lächeln uns an und ich habe das Gefühl, dass endlich der Knoten geplatzt ist. Über meine Gefühle zu sprechen und deutlich zu sagen, was ich von der Situation halte, tut wirklich gut. Das sollte ich öfters
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