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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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die Weichheit meiner Schritte auf dem moosigen Boden und den braunen Blättern noch die heilige Weihnachtsstimmung, von der ich mich überall umgeben fühlte. Die weiß bereiften Stämme kreisten mich ein, und ich überlegte, dass der Begründer aller Zeiten niemals seine gütige Hand erhoben hatte, außer um zu segnen und zu heilen, nur in dem einen Fall des einen unwissenden Kreuzesstammes nicht. Bei Cobham Hall gelangte ich in das Dorf und zum Friedhof, wo die Toten in aller Stille ruhten, »in der sicheren und gewissen Hoffnung«, die die Weihnachtszeit nährt. Welche Kinder konnte ich spielen sehen, die ich nicht lieben musste, mich an den erinnernd, der die Kindlein so geliebt hatte! Kein Garten, an dem ich vorüberkam, war nicht mit dem heutigen Tag im Einklang, denn ich erinnerte mich daran, dass sein Grab in einem Garten lag und dass sie »meinte, es sei der Gärtner«, und zu ihmsprach: »Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.« 12 Mit der Zeit kam der ferne Fluss mit den Schiffen in volle Sicht, und mit ihm Bilder der armen Fischer, die ihre Netze geflickt hatten und aufgestanden und ihm nachgefolgt waren; Bilder davon, wie er von einem Boot aus die Leute lehrte und man dieses Boot wegen der großen Menschenmenge ein wenig vom Strand weggerudert hatte; Bilder von einer majestätischen Gestalt, die über das Wasser schritt, in der Einsamkeit der Nacht. Selbst mein Schatten vor mir auf dem Boden sprach beredt von Weihnachten, denn legten nicht die Leute ihre Kranken dahin, wo die Schatten der Männer, die ihn gehört und gesehen hatten, im Vorübergehen auf sie fallen würden?
    So umgab mich Weihnachten nah und fern, bis ich nach Blackheath gekommen war und im Greenwich Park die lange Allee mit den knorrigen Bäumen entlanggeschritten war und unter brausendem Dampf durch den wieder hereinziehenden Nebel auf die Lichter von London zugefahren wurde. Hell leuchteten sie, aber nicht so hell wie mein eigenes Kaminfeuer und die strahlenden Gesichter ringsum, als wir zusammenkamen, um den Tag zu feiern. Und dort erzählte ich vom ehrenwerten Master Richard Watts und von meinem Abendessen mit den sechs armen Reisenden, die weder Schurken noch Verwalter waren, und von dieser Stunde an bis jetzt habe ich keinen von ihnen jemals wiedergesehen.

    Erstmals erschienen 1854 in »The Seven Poor Travellers«, der Weihnachtsausgabe von »Household Words«.

Doktor Marigold
    Ich bin ein Billiger Jakob 1 , und der Name meines lieben Vaters war Willum Marigold. Manche vermuteten zu seinen Lebzeiten, sein Name wäre William, aber mein Vater ist immer steif und fest dabei geblieben, nein, er wäre Willum. Und was diesen Punkt betrifft, will ich mich damit zufriedengeben, das Argument folgendermaßen zu betrachten: Wenn ein Mann in einem freien Land nicht seinen eigenen Namen wissen darf, wie viel weniger darf er ihn dann in einem Land der Sklaverei wissen? Wenn man nun meint, dieses Argument mit dem Instrument des Geburtenregisters betrachten zu wollen, so ist Willum Marigold auf die Welt gekommen, ehe die Geburtenregister groß bekannt waren – und er hat sie auch vorher verlassen. Sie wären zudem nicht gerade seine Sache gewesen, wenn sie zufällig vor ihm aufgetaucht wären.
    Ich bin auf der Landstraße Ihrer Majestät der Königin geboren, nur dass es damals eine Landstraße Seiner Majestät des Königs war. Ein Arzt wurde von meinem lieben Vater zu meiner lieben Mutter gerufen, als meine Geburt auf einer Gemeindeweide stattfand; und da dies ein sehr freundlicher Herr war, der kein Honorar, sondern nur ein Teetablett akzeptierte, wurde ich Doktor genannt, aus Dankbarkeit und als Kompliment für diesen Herrn. Da haben Sie mich nun. Doktor Marigold.
    Gegenwärtig bin ich ein Mann mittleren Alters von recht breiter Statur, in Cordhosen, mit einer Weste mit Ärmeln, deren Schnüre 2 fast immer im Eimer sind. Flicke sie, so oft du willst, die reißen wie die Violinsaiten. Da warst du im Theater, und du hast dir einen der Geigenspieler angesehen, der seine Geige malträtierte, nachdem er ihr gelauscht hatte, als flüstere sie ihm das Geheimnis zu, sie wäre leider nicht ganz in Ordnung, und dann hast du gehört, wie die Saite gerissen ist. Genauso geht es mit den Schnüren meiner Weste, und darin können sich eine Weste und eine Geige doch sehr gleichen. Ich halte große Stücke auf einen weißen Hut, und ich trage gern einen weißen Schal locker und lose um den Hals

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