Der schwarze Thron - Reiter reiter3
existierte.
Nach diesem Gespräch verabschiedete sie sich von Merdigen, um Alton Bericht zu erstatten, der draußen sicher schon den Verstand verlor, weil er unbedingt wissen wollte, was sie herausgefunden hatte. Sie fürchtete, er würde enttäuscht sein. Sie trat in die Mauer, aber irgendwie fühlte es sich diesmal noch schlimmer an, weniger flüssig, beinahe fest. Knacken drang ihr in die Ohren, ein urtümliches Geräusch, aus einer Zeit vor den Menschen, einer Zeit, bevor Licht die Erde erhellt hatte, bevor die Zeit selbst gemessen wurde. Es war das Geräusch von flüssigem Stein, der erkaltete und brach, das Geräusch sich bildender Kristalle; ein Geräusch, wie man es gehört hätte – wenn jemand da gewesen wäre, als es geschah, um es zu hören –, als sich der Stein der Erde formte.
Der Wall verfestigte sich.
Durch das Klirren hörte sie die Stimmen, klagende und verzweifelte Stimmen, und andere, die rezitierten, Hass, Hass, Hass …
Blind in der Dunkelheit und voller Panik warf sie sich nach vorn, und fester werdender Stein schnitt ihr in die Haut, drückte ihr den Atem aus dem Körper, drohte sie zu zerquetschen. Wie eine, die untergeht und ertrinkt, konnte sie nur in ihrem Innern schreien.
DER WALL SPRICHT
Von der Ullem-Bucht zu den Ufern der Dämmerung … Knacken.
Hört uns!
Vergesst niemals seinen Verrat.
Helft uns!
Traut ihm nicht.
Heilt uns!
Hasst ihn.
Ja, Hass … Hass … Hass …
In den Stimmen der Hüter schwingen Unsicherheit und Konflikte mit, und nun bewegt sich die, von der der Deyer abhängt, durch den Wall, wie sie es schon einige Male zuvor getan hat. Können sie erlauben, dass diese Überschreitung weiter stattfindet? Wenn sie mit dem Deyer zu tun hat, hat er sie dann nicht mit seinem Übel besudelt? Ja , sagen einige. Nein, sagen andere. Sie müssen mit einer einzigen Stimme singen, aber sie sind gespalten, haben die Harmonie, haben ihren Rhythmus verloren.
Vertraut nicht! Fangt sie und zerdrückt sie, werdet zu Stein! Hasst!
Wir hören es. Wir hassen. Wir gehorchen.
Merdigen sickert erschrocken in den Wall, denn Dale ist darin gefangen, und die Hüter benehmen sich rätselhaft,
angetrieben von den hasserfüllten Befehlen des Vetters des Deyer, des Pendric. Merdigen muss etwas unternehmen. »Lasst sie gehen!« , ruft er.
Wir müssen Wache stehen, fangen und zerdrücken, zu Stein werden.
»Sie hat euch nichts getan.«
Hört nicht zu.
Lautlosigkeit umgibt Merdigen, und das ist beinahe noch erschreckender als das Durcheinander der Stimmen der Hüter.
»Sie will nur helfen, euch zu heilen!«
Wir opfern, so wie wir geopfert wurden. Wir müssen Wache stehen.
»Sie kann keine von euch werden.« Merdigen gibt nicht auf. »Ihr könnt kein Menschenfleisch zu Stein machen.«
Ihr Blut hat Magie.
»Nur geringe Magie, nicht würdig, nicht genug, euch zu heilen. Hört auf mich. Sie will euch nur helfen. Ihr müsst ihr vertrauen – lasst sie gehen!«
Hört nicht zu.
Wieder umgibt Stille Merdigen, während die Hüter über seine Worte nachdenken. Er wird von ihrer Angst, ihrer Verwirrung überwältigt. Er möchte ihnen helfen, aber er hat nicht die Macht dazu. Alles, was sie waren, alles, was sie sein sollten, löst sich auf, und der Pendric hat eine kräftige Stimme, die sie gegen jede Vernunft aufwiegelt. Merdigen muss eine Möglichkeit finden, sie zu überzeugen, Dale freizulassen, oder sie wird sterben.
MERDIGEN BRICHT AUF
Alton ging wütend vor dem Himmelsturm auf und ab. Wieso brauchte Dale so lange? Er konnte nur hoffen, dass Merdigen ihr Berge von Informationen lieferte, die bei der Reparatur des Walls helfen würden.
Er blieb stehen, holte tief Luft und versuchte, ruhig zu bleiben. Es war ein schöner Tag, und das Fieber hatte ihn nicht befallen wie in der Nacht des Unwetters, und wenn Dale lange brauchte, um Informationen zu sammeln, war das doch nur gut, oder?
Und dann waren da seine Schuldgefühle, weil er Dale in dieser Nacht wirklich niedergeschlagen hatte. Wie hatte er so etwas tun können? Was war nur über ihn gekommen? Das Fieber hatte ihn um den Verstand gebracht, hatte seinen Zorn über den Wall und seine eigene Unfähigkeit, ihn zu reparieren, noch weiter aufgeheizt.
Dass Dale ihm verzieh, hatte die Schuldgefühle nur noch schlimmer gemacht. Er hatte sie nicht verdient. Irgendwie würde er sie für all das entschädigen. Irgendwie …
»Lord D’Yer!«, rief eine der Wachen. Sie zeigte auf die Turmwand. »Seht!«
Eine Verzerrung lief in
Weitere Kostenlose Bücher