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Der schweigende Mund

Der schweigende Mund

Titel: Der schweigende Mund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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goß etwas davon auf eine Serviette und schlug ihr damit so lange ins Gesicht, bis sie wieder zu sich kam. Dann warf ich einen Fünf-Dollar-Schein auf den Tisch und half Ruth Otis wieder auf die Beine. Als ich sie zum Auto führte, war sie noch immer ganz benommen.

6

    Als ich dann die Straße entlangraste, bewies die alte Mühle, daß doch noch einiges in ihr steckte.
    Ruth Otis saß neben mir am Steuer. Sie drehte das Seitenfenster herunter und ließ sich die frische Luft ins Gesicht wehen.
    Nach einer Weile fragte sie: »Können Sie sich vorstellen, daß ich so etwas fertigbrächte?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Sagen Sie mir, Mr. Lam, was haben Sie mit der Familie Ballwin zu tun?«
    »Ja, glauben Sie denn, daß Sie den Namen so genau verstanden haben, als ich den Hörer am Ohr hatte und Sie drei Meter davon absaßen?«
    »Aber sie hat doch gesagt, daß er vergiftet wurde.«
    »Ich könnte Ihnen im Handumdrehen zwei Dutzend Namen nennen, die wie Ballwin geklungen haben würden, berücksichtigt man die Voraussetzungen, unter denen Sie lauschen konnten.«
    »Aber das Gift, das... das paßt doch alles zusammen.«
    »Was paßt zusammen?«
    Sie zögerte einen Augenblick und sagte dann: »Nichts.«
    Schweigend fuhr ich weiter.
    »Irgend jemand muß Sie engagiert haben, sich mit dem Fall zu befassen.«
    Auch hierauf äußerte ich mich nicht.
    »Sind Sie... Ich meine, wissen Sie irgend etwas über Doktor Quay?«
    »Warum sollte ich?«
    »Ich meine darüber, daß Mrs. Ballwin häufig in seiner Praxis war?«
    »Sie reden immer noch von Mrs. Ballwin«, sagte ich und behielt dabei meinen Blick aufmerksam auf die Fahrbahn gerichtet.
    »Jetzt frage ich mich, ob Sie mich nicht auch beschattet haben«, fuhr sie fort, »und als dann der Autobus plötzlich abbog, gerieten Sie in die Klemme, gerade in dem Moment, als Sie mich überholen wollten... War das wirklich ein reiner Zufall?«
    Ich fuhr wortlos weiter.
    »Warum sagen Sie denn gar nichts?« fragte sie vorwurfsvoll.
    »Was soll ich darauf erwidern? Sie reden doch wie ein dummes, kleines Ding.«
    »Vorhin in dem Lokal waren Sie noch ganz wißbegierig, da konnte ich nicht genug erzählen. Immer wieder forderten Sie mich auf, weiter zu berichten. Sie hörten mit gespitzten Ohren zu, und nun soll ich überhaupt nichts mehr sagen.«
    »Das Tempo, in dem wir fahren, verlangt meine ganze Konzentration. Es ist Ihnen doch sicher angenehmer, wenn wir flott weiterfahren.«
    Sie dachte darüber nach, und inzwischen hatten wir die Lex-brook Avenue erreicht. Ich riß das Steuer herum, so daß die Reifen in der Kurve kreischten, und ehe sie sich noch recht besinnen konnte, trat ich vor ihrer Haustür auf die Bremse.

    Es war ein kleines Haus mit möblierten Einzimmerwohnungen, das wohl für Leute gebaut worden war, die in der Umgebung arbeiteten. Doch die Wohnraumknappheit trug dazu bei, daß hier auch Mieter seßhaft wurden, die in der Innenstadt beschäftigt waren.
    Ich half ihr aus dem Wagen, griff nach ihrem Paket und sagte: »Ich werde Ihnen helfen, Ihre Sachen ’raufzutragen. Mit all dem Kram in den Händen werden Sie sonst Schwierigkeiten beim Öffnen der Türen haben.«
    »Nein, nein, das kann ich schon allein. Sie haben es ja eilig.«
    »Die paar Minuten machen meine Verspätung auch nicht wett.«
    Sie schloß die Haustür auf, stieg vor mir die Treppe bis zum zweiten Stock hinauf, ging dann den Flur entlang und blieb vor einem Apartment stehen, das nach hinten hinaus lag.
    Ich sagte: »Apartment Nummer zehn — das dürfte die letzte Nummer in dem Haus sein.«
    »Stimmt genau.«
    Sie schloß die Tür auf, und ich folgte ihr in das Innere des Zimmers. Es war klein und eng, mit schmutzig anmutenden Wänden. Die Möbel ließen noch erkennen, daß sie aus Eiche waren. Der Raum strömte jenen abgestandenen Geruch aus, den man nicht genau definieren kann, der sich jedoch nach zu langem Bewohnen unvermeidlich ausbreitet, wenn nie eine Renovierung erfolgt - ein trostloses Apartment also, das für den Hauswirt aber immer noch eine Menge Geld abwarf.
    Sie ging zum Fenster und öffnete es. Ich legte das Paket ab, zog meine Brieftasche hervor und legte, während sie mir den Rücken zudrehte, einen Zehn- und zwei Zwanzig-Dollar-Scheine auf den Tisch.
    »Es war sehr freundlich von Ihnen, Mr. Lam, mich nach Hause zu bringen. Nur tut es mir leid, daß ich mich so dumm benommen
    habe. Aber der Schreck saß mir so in den Knochen... Es war überhaupt ein reichlich aufregender Tag für mich.« Dabei

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