Der Schweizversteher
war überzeugt, dass es auÃer für Sandalen tragende
Hippies oder Fitnessfreaks ungenieÃbar sei. Und um die Wahrheit zu sagen: Das
stimmt, und die Schweizer wissen es schon seit Langem. Weshalb sie das Müesli
(am besten über Nacht) in Milch einweichen, die Masse dann mit Joghurt mischen
und frisches Obst â normalerweise Ãpfel und/oder Beeren â daruntergeben. Das
Ergebnis sieht merkwürdig aus, ist aber lecker. Ehrlich.
Es schmeckt so gut, dass die Schweizer gar nicht
anders können, als es den lieben langen Tag zu essen. Für sie ist es nicht nur
ein Frühstück, sondern auch ein leichtes Mittag- oder Abendessen oder eine
schnelle Zwischenmahlzeit. Das Müesli oder Birchermüesli, wie es in der Schweiz
normalerweise heiÃt, ist der Martini unter den Nahrungsmitteln â man kann es
jederzeit und überall verzehren, ob gerührt oder geschüttelt. Es ist das
original Schweizer Fastfood, nicht weil es schnell zu machen wäre (das lange
Einweichen ist ein Hemmschuh), sondern weil es fast jeder Bäcker, jedes Café
und jeder Supermarkt fertig zum Mitnehmen und sofortigen Verzehr verkauft.
Eigentlich hat der Aarauer Arzt Maximilian
Bircher-Benner das Müesli 1900
als gesundes Abendessen für seine Patienten entwickelt. Er mischte frisch
gemahlenen Hafer mit Wasser, Zitronensaft, Kondensmilch und geriebenem Apfel,
was einem nicht gerade das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Hafer und
geriebener Apfel gehören auch heute noch unbedingt dazu, aber glücklicherweise
kam jemand auf die Idee, den Rest durch Milch und Joghurt zu ersetzen.
Nicht viele Schweizer Wörter sind in den Wortschatz
anderer Völker eingegangen, doch Müesli ist eins der wenigen und noch dazu ein
sehr typisches, denn es endet nach guter Deutschweizer Sitte auf »-li«.
Eigentlich handelt es sich dabei nur um eine Verkleinerungsform, aber
offensichtlich gibt es unheimlich viele kleine Dinge in der Schweiz.
Beispielsweise ist ein Gipfeli ein Croissant, ein Wägeli ein Einkaufswagen, und â mein Lieblingswort â ein bitzeli heiÃt ein bisschen. Selbst Tells Sohn Walter wird
oft Walterli genannt, um auszudrücken, dass er noch ein kleiner Junge ist.
Die Schweizer Küche hat jedoch mehr zu bieten als nur
Fondue oder Müesli. Wie in jedem Land hat jede Region ihre eigenen
Spezialitäten, von denen manche vor allem deshalb speziell sind, weil nur die
Einheimischen sie mögen. Aber viele sind auch im ganzen Land beliebt, sodass
man als Tourist nicht in entlegene Winkel reisen muss, um e bitzeli von der
Schweiz zu kosten. So stammt der Zopf , ein
Hefegebäck, das gern am Wochenende gegessen wird, ursprünglich aus dem Kanton
Bern, während das ebenso schwer auszusprechende wie üppige Züri
Geschnetzlets aus Kalbfleisch und Pilzen in Sahnesauce natürlich aus
Zürich kommt. Und Basels bekanntestes Produkt sind die als Leckerli (man beachte das »-li«) beliebten Pfefferkuchen mit Zuckerglasur. Auf all diese
Produkte wird in der Herkunftsgegend stolz verwiesen, aber man isst sie überall
im Lande gern. Und dafür ist womöglich eine Frau verantwortlich: Betty Bossi.
Kochen mit Betty
Sie ist der Jamie Oliver oder Alfons Schuhbeck der
Schweiz. Unter ihrer Anleitung haben die Schweizer nicht nur ihre
Nationalgerichte kochen gelernt, sondern sind zu so exotischen Kreationen wie
Thai-Curry und Hummus vorgedrungen, was für etliche Einheimische einer
Revolution gleichkommt. Dabei gibt es Betty gar nicht. Ihre Existenz verdankt
sie der Marketingabteilung eines Ãl- und Margarinefabrikanten, wo sie 1956
erfunden wurde, und Betty heiÃt sie, weil ihr Name in den drei Hauptsprachen
des Landes beruhigend und verlässlich klingen sollte. Ursprünglich nur eine
Gratiszeitung, die in Supermärkten auslag, hat sie sich zu einer
millionenschweren Marke gemausert. Neben Kochbüchern, die allesamt
Verkaufsschlager sind, gibt es unter ihrem Namen eine Zeitschrift, eine
Kochschule und Küchengeräte. Und für den Fall, dass Sie selbst mit Bettys Hilfe
am Herd weiterhin überfordert sind, finden Sie in einem Regal bei Coop ihre
Fertiggerichte. Was allein schon eine Revolution ist. Denn Fertiggerichte sind
eine radikale Neuerung, die in Berns gröÃtem Supermarkt bisher nur ein halbes
Kühlregal einnimmt.
Allerdings gibt es drei heià geliebte Dinge in einem
Schweizer Supermarkt, an deren Zubereitung selbst geübte
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