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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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Wesentlichste aber war wohl – wie
bei vielen anderen Erzeugnissen auch –, dass es den Schweizern bei der
Schokolade immer mehr um Qualität als um Quantität ging. Gibt es überhaupt
schlechte Schweizer Schokolade? Falls ja, ist sie mir jedenfalls noch nicht
untergekommen. Meine Blindverkostung beweist, dass selbst die billigste
Eigenmarke mit edlen Marken konkurrieren kann, doch dafür muss man wirklich in
die Schweiz fahren. Im Gegensatz zu Toblerone und Lindor kriegt man Prix
Garantie nicht in britischen oder deutschen Supermärkten.
    Wenn Sie einen x-beliebigen Schweizer nach Schokolade
– oder Schoggi , wie sie auf Schwyzerdütsch heißt, –
fragen, wird er Ihnen antworten, dass die hiesige die beste der Welt ist. Zwar
behaupten das die Schweizer von praktisch allen ihren Produkten, aber bei der
Schokolade ist ihr unverhohlener Nationalstolz womöglich berechtigt. Auch die
Schweizer Supermärkte ergeben sich allmählich der Globalisierung, inzwischen
findet man dort amerikanische Erdnussbutter, indische Gewürze und mexikanische
Gerichte. Immer häufiger schauen die Schweizer Verbraucher über ihren
Tellerrand in fremde kulinarische Welten. Doch im Schokoladenregal hat die
Schweiz wie eh und je unangefochten die Oberhand – nur selten findet sich ein
ausländischer Eindringling in den zahlreichen mit Schweizer Marken gefüllten
Reihen. Und wer sollte so etwas auch kaufen, wenn gleichzeitig so viele Tafeln
der weltbesten Schokolade im Angebot sind?

✚
    Survival-Tipp
Nummer 9
    Tischmanieren
    Wahrscheinlich zeigt sich der
Schweizer Sinn für Pünktlichkeit nirgends deutlicher als bei den Essenszeiten.
Ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen, die Schweizer essen früh und reagieren
ziemlich überrascht, wenn andere das nicht tun. Dafür ist das Mittagessen das
beste Beispiel. Punkt zwölf Uhr macht das Land Pause. Büros und Baustellen
verwaisen, Geschäfte und Banken außerhalb der großen Stadtzentren schließen,
Kinder kehren aus der Schule heim, außer dem öffentlichen Verkehr kommt fast
alles zum Stillstand. Wenn Sie um 12.15 Uhr in einem Schweizer Lokal
einen Tisch bekommen, haben Sie das große Los gezogen. Um 13.45 Uhr
herrscht dagegen gähnende Leere, allerdings auch in der Küche. Am Abend sind
die Essenszeiten ein bisschen flexibler, doch zu Hause haben die meisten
Schweizer bereits um 19.30
Uhr gegessen. Zum Teil,
weil das Abendessen normalerweise kleiner ausfällt als das Mittagessen – oft
besteht es nur aus Salat oder Brot und Käse oder einer Schüssel Müesli –, aber
auch damit sie die Abendnachrichten im Fernsehen anschauen können, die täglich
um 19.30 Uhr
gesendet werden. In den größeren Städten findet man allerdings Restaurants, die
noch zu beunruhigend später Stunde, also um 22.00 Uhr warme Küche haben, und
an den Wochenenden schließt McDonald’s erst zu einer so unchristlichen Zeit wie
drei Uhr morgens.
    19.00 Uhr ist
also der richtige Zeitpunkt für ein Treffen zum Abendessen. Und egal ob man die
goldene Eintrittskarte für das Heim von Schweizer Freunden ergattert hat oder
sich in einem Restaurant verabredet, gilt es ein bestimmtes Procedere zu
beachten, sobald die Getränke auf dem Tisch stehen. Unter gar keinen Umständen
dürfen Sie jetzt einfach ihr Glas heben und der Tischrunde zuprosten. Ich
dachte immer, so gehört es sich, bis ich bei einem Schweizer Abendessen meinen
ersten großen gesellschaftlichen Fauxpas beging. Ich hob mein Glas gleichzeitig
mit den anderen, sagte „zum Wohl“ und nahm einen großen Schluck. Alle hielten
inne und starrten mich an, als hätte ich gerade nackt auf dem Tisch getanzt.
Und ich lernte, dass es bei Schweizern nicht mit drei Sekunden getan ist, wenn
sie einander zuprosten. Denn wie fast alles in der Schweiz ist auch dies ein
wohlüberlegter Vorgang, der auf uralten Traditionen beruht.
    Der Gastgeber macht den Anfang, indem
er das Glas erhebt. Anschließend muss jeder mit jedem anstoßen und das Glas
dabei möglichst unten am Stiel halten, damit es wohltönend klingt. Doch nicht
nur das: Man muss seinem Gegenüber dabei auch in die Augen schauen und nach dem
„zum Wohl“ seinen oder ihren Vornamen anhängen.
    Bei einem Abendessen mit acht
Personen heißt das, dass zuerst 28 Mal die Gläser erklingen und
ein „zum Wohl“ mit den verschiedenen Namen zu

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