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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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ein
entschuldigendes Lächeln.
    Â»Es ist zu weit weg«, erklärt mir der Mann.
    Das verschlägt mir die Sprache. »Aber es gehört zum
Kanton Bern«, stammle ich, »und ist richtig berühmt. Es müssen sich schon
massenhaft Leute danach erkundigt haben.«
    Er nickt. »Hin und wieder.«
    Das heißt wahrscheinlich tagtäglich. Die meisten
Schweizer neigen zur Untertreibung, ob es um ihr Vermögen oder die winterlichen
Temperaturen geht. Wenn jemand behauptet, er könne ein bisschen Englisch,
spricht er es vermutlich fließend; wenn von ein paar Leuten im Geschäft die
Rede ist, heißt das, es war rappelvoll. Die Schweizer preisen auch nichts
überschwänglich an, am wenigsten sich selbst. Trotz dieses Vorwissens hatte ich
angenommen, dass ich in der Berner Touristeninformation etwas über andere Orte
im selben Kanton erfahren könnte. Schließlich geht es um ein Gebiet direkt vor
der Haustür, das jährlich bestimmt Tausende von Besuchern anzieht. Würde man
mir denn in Dresden jede Auskunft über die Sächsische Schweiz verweigern?
    Angesichts meiner ungläubigen Miene sieht sich der
Mann zu einer Erklärung genötigt.
    Â»Wir haben nicht genug Platz.« Seine Stimme hallt in
dem riesigen Raum wider, in dem wir uns befinden. »Den benötigen wir für die
anderen Gebiete der Schweiz. Als Bundeshauptstadt müssen wir auch Broschüren
über das Tessin und Genf vorhalten.«
    So höflich er ist, hier komme ich nicht weiter. In der
Schweiz bleibt ein Nein immer ein Nein, es ist nie ein verkapptes Ja oder ein
Vielleicht, so wie auch ein Ja nie ein höfliches Nein ist, obwohl Italien
direkt angrenzt. Einmal ausgesprochen, gibt es kein Wanken. Bevor ich gehe,
frage ich, wo ich denn etwas über das Emmental erfahren könnte.
    Â»Sie sollten hinfahren und im örtlichen Touristenbüro
nachfragen«, schlägt er vor.
    Ich seufze. Na klar: Ich muss hinfahren, bevor ich
irgendetwas darüber herausgefunden habe, und dabei weiß ich nicht einmal, wo
genau ich eigentlich hin muss. Doch da kommt endlich ein hilfreicher Hinweis:
»Versuchen Sie es zuerst in Langnau. Dort wird man Ihnen weiterhelfen.«
    Ein konkreter Anhaltspunkt! Ich strahle und gehe.
    Laut Fahrplan braucht der Regionalzug für die 33
Kilometer nach Langnau vierzig Minuten, wahrscheinlich hält er unterwegs an
jedem Kuhstall. Und von dort führen nur ein paar spärliche Bahnlinien durchs
Emmental, also muss man entweder Bus fahren oder die Kavallerie verständigen.
Meine Eltern aus England sind zu einem Besuch hier. Mit dem Auto. Ich greife
zum Telefon.



Dem Käse auf der Spur
    Zum ersten Mal hält der Zug bereits zwei Minuten nach
Abfahrt vom Berner Hauptbahnhof in Wankdorf, was mich in meinen Befürchtungen
bestärkt. Hier befindet sich das Nationalstadion mit dem pompösen Namen Stade
de Suisse, in dem die Bundesrepublik Deutschland 1954 bei der
Fußballweltmeisterschaft den Sieg errang, was als Wunder von Bern, nicht von
Wankdorf, in die Geschichte einging. Allerdings wurde das alte Stadion 2001
abgerissen, um Platz für ein neues mit 32 000 Sitzplätzen zu machen,
inklusive Solardach und unverstelltem Blick auf das Spielfeld. An größeren
Ereignissen haben hier bisher die Europameisterschaft 2008 und ein Robbie
Williams-Konzert stattgefunden, und für ein Eishockey-Meisterschaftsspiel wurde
die Kunstrasenfläche sogar einmal mit einer Isolierschicht und 300
Kilometern Schläuchen mit Kühlflüssigkeit bedeckt und anschließend eine rund
fünf Zentimeter dicke Eisschicht aufgetragen. Ansonsten spielt die örtliche
Fußballmannschaft BSC Young Boys in diesem Stadion.
Was für ein trefflicher Name: Kleine Buben, die Ball spielen.
    Es dauert nie lang, bis man in der Schweiz durch
offene Landschaft fährt, die Städte sind nun mal ziemlich klein. Und auf dieser
Strecke bietet sich ein majestätischer Anblick. Der atemberaubende Hintergrund
aus schneebedeckten Bergen erscheint geradezu unwirklich imposant, so als hätte
ein künstlerisch begabter Riese gefunden, dass grüne Hügel und Weizenfelder
nicht pittoresk genug sind, und diesen gigantischen Horizont dazugemalt. Man
ist in der Schweiz nirgends weit von den Alpen entfernt, doch manchmal wird es
einem leicht gemacht, sie zu vergessen: aus dem Auge, aus dem Sinn. Eine Kunst,
die die Schweizer kultiviert haben und die mich immer wieder in

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