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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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der Reglosigkeit, und nur das Zucken seiner Ohren verriet seine Wachsamkeit. Dann wiederholte sich das Geräusch; er fuhr herum und sprang in gewaltigen Sätzen davon, gefolgt von seiner Familie, und innerhalb weniger Herzschläge war die Lichtung leer.
    Will ließ den Blick noch einmal über die kleine Wiese schweifen, dann stellte er sich in den Steigbügeln auf, drehte sich um, steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen lauten Pfiff ertönen. Als auch der Rest der in braungrüne, gewachste Wollumhänge gehüllten Truppe zu ihnen gestoßen war, holte Will tief Luft.
    »Nun, Brüder«, begann er. »Willkommen in Roslin. Die Sonne mag hier nicht so hell scheinen wie im Süden Frankreichs, und die Luft mag kühler sein, doch es ist meine Heimat. Wir sind weniger als eine Meile von der Burg meines Vaters entfernt, die auf einem Hügel am Ufer dieses Baches steht, und ich verspreche euch, dass ihr heute Abend warm essen und bequem schlafen werdet. Wie ich gehofft hatte, ist hier alles ruhig. Doch ich muss euch darauf aufmerksam machen, dass ihr von nun an eure Zungen hüten müsst, denn unsere Mission ist streng geheim. Wenn euch jemand Fragen stellt, beantwortet sie einfach und knapp. Wir sind Soldaten, unterwegs im Auftrag des Königs. Habt ihr mich alle verstanden?« Er ließ den Blick von einem Gesicht zum anderen schweifen und wartete auf ihr Nicken, dann nickte er ebenfalls. »So soll es sein.«
    Er beauftragte Tam, mit Mungo und sieben weiteren Männern zurück zu der Stelle zu reiten, an der sie den Wagen versteckt hatten – wenn auf der Lichtung keine Engländer kampierten, würde auch die Straße frei sein. Dann ritten Will und Kenneth mit ihren zehn Rittern zum Ufer hinunter, um dem Verlauf des Baches zu folgen. Will pfiff leise vor sich hin, und nach einer Weile sprach ihn Kenneth an.
    »Du kannst nicht über diese beiden Briefe aus Frankreich sprechen, die du am Morgen unserer Abreise erhalten hast, oder?«
    Will sah ihn überrascht an. »Warum fragst du?«
    Sein Bruder zuckte mit den Achseln und grinste. »Weil du der einzige Mensch bist, der zu pfeifen beginnt, wenn er schlecht gelaunt ist. Du pfeifst, seit wir Arran verlassen haben, und ich vermute, dass es mit diesen Briefen zu tun hat. Und außerdem: Was wirst du Vater erzählen?«
    »Über die Ereignisse in Frankreich? Alles.«
    »Alles, was du sagen kannst, meinst du. Wirst du ihm von dem Schatz erzählen?«
    »Aye, aber nur unter vier Augen. Was wir vorhaben, ist nur mit seinem Wissen möglich. Glaubst du, Tam wird den Wagen außer Sichtweite schaffen können, ohne dass jemand Fragen stellt?«
    »Wer sollte denn Fragen stellen? Die Leute werden davon ausgehen, dass der Wagen unsere Ausrüstung enthält.«
    »Wenn du das sagst, Bruder …« Kenneth stellte sich in den Steigbügeln auf und blickte den gewundenen Pfad entlang. »Ich reite voraus und melde uns an. Ich frage mich, ob Peggy wohl da sein wird …«
    Er trieb sein Pferd zum Galopp an, und Will sah ihm lächelnd nach. Wie gern hätte er seinen Bruder und seinen Vater ganz eingeweiht, doch beide hatten nicht die geringste Ahnung von der Existenz des Ordens von Sion … und es war der Bericht eines Sionsbruders, der an seinem Zustand der Erschütterung schuld war.
    Die Dokumente, die ihn am Morgen seiner Abreise erreicht hatten, kamen aus dem Hauptquartier des Ordens in Aix-en-Provence und schilderten das Schicksal der französischen Templer bis ins grausamste Detail. Jacques de Molay war zum Tode verurteilt worden, nachdem er eine Reihe grauenvoller Vergehen gestanden hatte, und Will konnte nur spekulieren, wie man den Großmeister gefoltert haben musste, um ihm ein solches Geständnis zu entlocken.
    Da war es auch kaum ein Trost, dass Seigneur Antoine de St. Omer, der Seneschall des Sionsordens und ein direkter Nachfahre des Tempelgründers Godfrey St. Omer, in seinem Brief angemerkt hatte, dass der Mann, der imstande war, den Foltern der Heiligen Inquisition zu widerstehen, noch nicht geboren war. Glühende Kohlen, das Streckbett, Daumen- und Gliederschrauben, in Fässer mit Wasser getaucht zu werden, bis man halb ertrunken war, um dann wiederbelebt zu werden und dieselbe Qual erneut zu erdulden – dies waren die Instrumente der Inquisitoren. Als er die Litanei das erste Mal gelesen hatte, hatte Will sich übergeben müssen.
    Er sah das Dach seines Elternhauses über den kahlen Baumwipfeln aufragen und schüttelte den Kopf, um sich von den Bildern des Grauens zu befreien, die ihm

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