Der Schwur der Ritter
Leder, die ihre Hüften eng umschmiegte und nach unten hin weiter wurde, darüber ein Jagdhemd aus demselben Material, das an der Taille von einem Ledergürtel zusammengehalten wurde, an dem ein langer Dolch in einer Scheide hing. Ihre Schuhe bestanden aus demselben feinen Oberleder und passten ihr wie ein Paar Handschuhe.
Ein Maulwurf huschte zu ihren Füßen vorüber und verschwand hinter der Armbrust und dem Köcher voller Bolzen, der am Felsen lehnte. In den Wäldern zu ihrer Rechten war ein Bär gesichtet worden, und so hatte sie die Waffe vorsichtshalber mitgenommen.
Eine Kinderstimme rief ihren Namen, und sie blickte auf. Die zwölfjährige Marjorie Bruce kam über den Hang auf sie zugelaufen. Jessie erhob sich, ergriff ihre Waffen und ging ihr entgegen.
»Was ist denn, Kleine?«, fragte sie, als sie das Mädchen erreichte. »Was ist passiert?«
»Es sind Männer im Anmarsch, Tante Jessie, dort hinter dem Hügel.«
»Aus Westen? Aus Annandale? Wie viele?«
»Ich weiß es nicht. Es sind zu viele, um sie zu zählen, aber sie sind schon fast hier.«
»Zeig es mir.«
Das Mädchen machte kehrt und begann so flink bergauf zu laufen, dass Jessie Mühe hatte, ihr hinterherzukommen. Sorgenvoll fragte sie sich, wer das wohl sein mochte. Die Gegend von Annan gehörte der Familie des Königs, doch genau wie Nithsdale war sie schon immer eine beliebte Route für die Invasoren aus dem Süden gewesen.
Schließlich erreichte sie den Gipfel des Hügels, wo die Kinder aufgeregt auf und ab hüpften und mit den Fingern in die Ferne zeigten. Jessie, die keuchend nach Atem rang, hielt sich die Hand über die Augen, um gegen die Sonne sehen zu können, deren Licht sich tatsächlich in Waffen, Rüstungen und Harnischen spiegelte. Die Reiter waren noch schätzungsweise drei Meilen entfernt und näherten sich der auffallenden Felsformation, die man den Leoparden nannte. Marjorie stand neben ihr auf den Zehenspitzen und reckte den Hals.
»Deine Augen sind besser als meine, Kleine. Kannst du sehen, wie viele es sind?«
»Nein, Tante Jessie, aber viele von ihnen tragen Blau.«
Jessie konnte zwar kein Blau sehen, zweifelte aber nicht an den Worten des Mädchens. Die Männer kamen aus Annandale, dem Land der Familie Bruce, und James Douglas’ Farben waren blau und weiß – Douglas, den der König zum Verwalter des Südens ernannt hatte. Jetzt fiel ihr wieder ein, wie sie selbst gekleidet war – ihre Skandaltracht war nicht die passende Aufmachung, um den jungen Gesandten des Königs zu empfangen. Sie fuhr herum und legte ihrem jungen Mündel die Hand auf die Schulter.
»Es ist Sir Douglas, und er kommt im Auftrag des Königs. Ich muss nach Hause laufen und mich umziehen, damit ich ihn empfangen kann. Kannst du die anderen Kinder zusammenrufen und sie nach Hause bringen?«
»Natürlich, Tante Jessie.« Marjorie wandte sich ab, um ihre Spielgefährten zusammenzurufen, und Jessie hastete davon, die Armbrust über die Schulter gelegt.
Als sie ihr Elternhaus betrat, hatte sie bereits begonnen, sich aus den Kleidern zu schälen – ein Anblick, den glücklicherweise niemand sah. Sie rief laut nach ihrer Zofe Marie und ging in ihr Zimmer, wo sie die Schnüre an der Vorderseite ihrer Lederhose zu lösen begann, die sie dann über ihre Hüften schob, bis sie die Füße herausziehen konnte. Das Jagdhemd fiel daneben auf den Boden, und schon zog sie sich das Untergewand über den Kopf. Nackt bis auf die Stiefel trat sie vor den Schrank, der ihre übliche Kleidung enthielt.
Kurz darauf stand sie mitten im Zimmer und klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden, während Marie ihr das Mieder des leuchtend grünen Kleides zuschnürte. Es war ein herrliches Kleid, das unter den Frauen von Nithsdale so deplatziert wirkte wie ein Pfau in einer Gänseschar, doch Bescheidenheit war jetzt die letzte ihrer Sorgen.
»Euer Haar, Madame«, sagte Marie besorgt.
»Tut etwas, aber beeilt Euch. Unsere Gäste werden jeden Moment hier sein.«
Während Marie ihr das Haar hochsteckte, fiel Jessies Blick auf das Stofftäschchen auf ihrem Tisch. Sie hatte es aus dem Tüchlein genäht, das … er aus seinem Hemd gezogen hatte, um sein Geschenk für seine Schwester darin einzuwickeln. Sie hatte Peggy Sinclair das Geschenk überbracht und sich gefreut, weil Peggy so glücklich darüber war. Doch von dem Tüchlein hatte sie sich nicht trennen können und sich daher das Täschchen daraus genäht, das die Kleinigkeiten ihres Alltags enthielt: ihre Kämme,
Weitere Kostenlose Bücher