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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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um die Hände zum Klettern frei zu haben. Mit Mühe zog er sich das letzte Stück auf die sonnengewärmte Oberfläche des Felsvorsprungs hoch. Er breitete das Vlies über einen improvisierten Ständer aus Zweigen und ließ das Wasser zu Boden tropfen, während er selbst hin und her lief, um sich die Glieder wieder zu erwärmen. Schließlich ließ er sich ins Gras fallen und schlief in der herrlichen Wärme der Sonne ein.
    Er erwachte, weil ihm ein Käfer über die Brust kroch. Als er das Tier mit den Fingern wegschnippte, verschwand es summend hinter der Felsenkante. Sein Lendenschurz war immer noch alles andere als trocken, doch immerhin hatte er aufgehört zu tropfen, und Will hoffte, ihn am späten Nachmittag zum Transport zusammenrollen zu können, ohne dass er Schaden nahm.
    Erneut spazierte er zur Spitze des Felsvorsprungs und ließ den Blick über das Meer und die Klippen schweifen. Allein. Er hätte der einzige Mensch auf der Welt sein können.
    Dennoch machte er kehrt und beschloss, seiner Nacktheit ein Ende zu setzen. Er griff nach dem frischen weißen Lendenschurz, den er mitgebracht hatte. Jeder Templer trug dieses Kleidungsstück, das er als Zeichen der Keuschheit bei seiner Aufnahme in den Orden erhielt. Will verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass es seinen Zweck wohl allein schon deshalb erfüllte, weil es mit der Zeit einen derart bestialischen Gestank annahm, dass an menschliche Nähe nicht mehr zu denken war. Ächzend verschnürte Will das hinderliche Kleidungsstück und verabschiedete sich wieder von seiner nackten Freiheit.
    Dann holte er seinen kleinen Schleifstein und das Fläschchen mit Öl aus seiner Satteltasche und griff nach seinen Waffen. Er zog Schwert und Dolch aus ihren Scheiden und begann, die Klingen vorsichtig zu schärfen und zu polieren, bevor er sie zum Schutz gegen den Rost mit einer feinen Ölschicht überzog. Schließlich war es Zeit zu essen, und diesmal stillte er seinen Hunger mit getrocknetem Fisch und Brot, bevor er zum Bach ging, um seinen Durst zu löschen.
    Noch drei Tage, dachte er. Drei Tage, bevor er aus Arran aufbrechen würde, um nach Ayr zu reisen, denn dort rief der König sein Parlament zusammen, und er hatte Will Sinclair dazu eingeladen. Inzwischen kam es ihm gar nicht mehr in den Sinn zu bedauern, dass er dieser Versammlung nicht in der imposanten Aufmachung der Tempelritter beiwohnen konnte. Er würde er selbst sein, ein einfacher Ritter, dessen kostbare Waffen jedoch eines Edelmannes würdig waren – und, so dachte er lächelnd, er würde sauber sein.

2
    E
    IN GROSSER SEEVOGEL segelte über den Strand auf das Meer hinaus, und Will beobachtete, wie er plötzlich die Flügel einzog und direkt vor ihm ins Meer eintauchte, um gleich darauf mit einem Fisch im Schnabel in die Höhe zu schießen. Will bestaunte die Eleganz dieses Manövers, als ihm auffiel, dass sich am Rand seines Blickfeldes etwas geändert hatte. Während er schlief, war ein Schiff auf den Strand gelaufen – so weit entfernt, dass es ihm erst auf den zweiten Blick aufgefallen war, aber doch eine Spur der Menschenwelt in seinem Garten Eden. Er hielt sich die Hände über die Augen, um sie gegen die Sonne abzuschirmen, und stellte fest, dass das Schiff den vertrauten, bauchigen Umriss eines Templer-Frachtschiffes hatte – und den mitgenommenen Eindruck eines Schiffbrüchigen machte, der sich mit letzter Kraft an Land geschleppt hatte.
    Doch seine Frachtschiffe waren alle im Süden unterwegs, in Spanien, Frankreich und Dänemark. Dieses Schiff musste von Westen gekommen sein. Und wenn es tatsächlich ein Schiff aus seiner Flotte war … so konnten es nur die Rückkehrer sein.

3
    S
    CHON VON SEINEM Schiff aus erkannte Will den Mann, der auf dem kleinen gemauerten Kai von Ardrossan stand, dem einzigen Fischerdorf in dieser Gegend, das einen solchen Hafen besaß. Noch während er an Land sprang, kämpfte er mit seiner Überraschung, hier von David de Moray erwartet zu werden. Der Bischof rief seinen Namen und winkte, dann löste er sich aus der Gruppe von Männern, mit denen er sich unterhalten hatte, und kam grinsend auf Will zu. Auch diesmal war er äußerlich nicht als Bischof der heiligen Kirche zu erkennen.
    »Sir William«, rief er. »Willkommen in der Heimat des Königs. Seine Gnaden übersendet Euch Grüße und bittet Euch zumindest um eine kurze persönliche Begegnung, bevor wir mit unseren Staatsangelegenheiten beginnen.« Will überlegte noch, ob er niederknien und den Mann auf den

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