Der Schwur der Ritter
unter dem direkten Schutz der Römischen Kirche stehen. Diese voreilige Tat wird allgemein als Akt der Verachtung gegenüber der Kirche Roms und ihrem Oberhaupt betrachtet.‹«
»Verzeihung«, sagte der Bischof. »Würdet Ihr das noch einmal vorlesen?«
Dutoit leistete seiner Bitte Folge, und der Bischof nickte. »Ich habe mich also nicht verhört. Der Papst ist verärgert über das Tun des Königs, doch der Affront gegen sein Amt stört ihn mehr als das Verbrechen gegenüber unserem Orden. Aber was meint er damit ›… es dabei nicht bewenden lassen‹?«
»Folter.«
Das Wort schlug ein wie ein fallender Stein. »William von Paris«, fuhr Dutoit fort, »der Oberste Inquisitor Frankreichs, ist König Philipps Beichtvater, und er war gewiss schon im Voraus eingeweiht.«
»Was …«, begann Richard de Montrichard, doch ihm versagte die Stimme, und er räusperte sich, bevor er es erneut versuchte. »Was … für Foltern denn? Was tun sie, diese Inquisitoren?«
Bischof Formadieu antwortete ihm. »Oh, nichts allzu Schlimmes. Papst Innozenz hat die Folter zwar vor fünfzig Jahren legalisiert, doch die Inquisitoren dürfen kein Blut vergießen.«
Jetzt fiel ihm Baron Dutoit ins Wort. »So sagt es die Theorie, Bischof, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Inquisitoren kennen keine Gnade und keine Menschlichkeit. Sie legen einen Mann auf das Streckbett und ziehen ihm die Gliedmaßen lang, bis die Gelenke reißen. Sie fesseln ihm die Hände hinter dem Rücken und ziehen ihn daran hoch. Das bringt jeden schnell zum Sprechen. Sie reiben ihm die Füße mit Fett ein und halten sie über ein Feuer. Gerade wurde mir noch von einem Mann namens Bernard de Vado berichtet, dessen Füße sie so lange gegrillt haben, bis die Knochen herausgefallen sind, und die Berichte über Todesfälle in den Folterkammern häufen sich.«
»Was für eine … Unmenschlichkeit«, flüsterte der Bischof, und zum ersten Mal ergriff Simon de Montferrat das Wort.
»Das ist es, Bischof, und dennoch geschieht es, und zwar durch die Hand von Kirchenmännern und im Namen des allmächtigen Gottes.«
»Doch wie ist das alles möglich, obwohl der Papst doch sein Missfallen kundgetan hat?«
»Nun«, antwortete Dutoit, »es ist uns inzwischen gelungen, ein wenig mehr über die Dinge herauszufinden, deren man die Templer bezichtigt. Es heißt, dass ihre eure Rekruten lehrt, dass Jesus Christus ein falscher Prophet war. Dass ihr sie bei ihrer Initiation zwingt, auf ein Kruzifix zu urinieren und dann den Bruder, der den Neuling in den Tempel aufgenommen hat, am ganzen Körper zu küssen. Dass ihr Teufelsanbeter seid und die körperliche Liebe zwischen Männern zu euren Ritualen gehört.«
Es herrschte entsetztes Schweigen, bis der Baron schloss: »De Molay hat gestanden.«
Es dauerte einen Moment, bis seine Zuhörer begriffen, dann fragte der Bischof: »Gestanden? Was denn?«
»Alles, was ich aufgezählt habe, bis auf die sodomitischen Handlungen. Die hat er geleugnet.«
Es war also wahr, was die Kapitäne der Handelsschiffe Will seinerzeit berichtet hatten, und die Erschütterung senkte sich auf seine Glieder wie Blei.
»Ich kann es nicht glauben, dass er so etwas gestanden hat«, wandte de Pairaud unterdessen ein.
»Glaubt es nur«, sagte Dutoit. »Sie haben ihn gebrochen. Sie können jeden Menschen brechen. Euer Großmeister, mit dem man sich besondere Mühe gegeben hat, war zwar der Erste, der ein Geständnis abgelegt hat, aber bei weitem nicht der Letzte. Sie haben bis auf den letzten Mann gestanden.« Er zögerte, dann richtete er den Blick direkt auf de Pairaud. »Euer Bruder Hugh, Sir Reynald, hat bereits im November gestanden, dass er neben vielen anderen Sünden jene Brüder, die ihre Lust nicht im Zaum halten konnten, angewiesen hat, diese zu stillen, indem sie anderen Brüdern beiwohnen. Sir Geoffrey de Charney, der Präzeptor der Normandie, John de la Tour, Tempelschatzmeister in Paris … die Liste ist endlos und traurig.«
Wieder herrschte Schweigen, bis Will erneut das Wort ergriff. »Uns ist zu Ohren gekommen, dass der Papst alle Könige der Christenheit angewiesen hat, auf ähnliche Weise gegen die Templer vorzugehen. Ist Euch davon etwas bekannt?«
»Aye. Er hat einen Rundbrief mit dem Titel Pastoralis Praeeminentiae versandt. De Nogaret hat inzwischen so viele Geständnisse gesammelt, dass sich Philipp zum moralischen Sieger erklären und sich als Retter der Christenheit darstellen konnte. Angesichts der Beweismittel konnte
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