Der Schwur der Ritter
ihm Clemens wohl kaum widersprechen. Doch er hat seine Kardinäle nach Paris entsandt, um sich selbst ein Bild vom Stand der Dinge zu machen, und er hat herausgefunden, dass die Geständnisse erzwungen waren.«
Sir Simon räusperte sich, und Dutoit überließ ihm das Wort. »Vor fast einem halben Jahr hat der Papst der Inquisition befohlen, ihr Vorgehen gegen die Templer einzustellen. Damit ist natürlich nichts gelöst – doch der ganze Zwischenfall hat sich dadurch zu einem Krieg zwischen Philipp und dem Papst ausgeweitet. Der Stellvertreter Gottes auf Erden gegen einen König, der fest davon überzeugt ist, Regent von Gottes Gnaden zu sein. Einen König, der schon einmal einen Papst das Leben gekostet hat.«
Er hielt inne und sah sich in der Runde um. »Hört meinen Rat. Seht zu, dass ihr hier Wurzeln schlagen könnt, denn ihr werdet nie wieder als Templer nach Frankreich zurückkehren. Philip und der Papst sind dabei, sich gegenseitig zu zerfleischen, und die Templer sind zur Nebensache geworden. Kümmert euch also um euch selbst. Das ist der beste Rat, den wir euch geben können.«
Nach langem, betroffenem Schweigen war es Baron Etienne Dutoit, der die Zusammenkunft beendete, indem er Will um ein Gespräch zu dritt bat.
5
A
LS SIE ALLEIN waren, kam Will sofort zur Sache. »Ich möchte die Männer von ihren Gelübden befreien. Dazu brauche ich Euren Rat.«
»Das ist auch der eigentliche Grund, warum wir hier sind«, erwiderte Dutoit, dem die Nachwirkungen seiner Litanei der Folterqualen noch ins Gesicht geschrieben standen. »Natürlich war es wichtig, Eure Brüder von den Vorgängen in Frankreich zu unterrichten, doch unserer eigenen Bruderschaft ist sehr daran gelegen, Euch wissen zu lassen, dass Ihr nicht völlig allein seid, Will.«
»Wir leben in Zeiten des Wandels, Will«, ergriff de Montferrat das Wort, »und wir sind hier, um Euch zu helfen, Euch auf diesen Wandel einzustellen. Seid Ihr dazu bereit?«
Will hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollten, doch er nickte ernst.
Jetzt war es wieder Etienne, der sprach. »Jahrelang habt Ihr Euer Leben dem Tempel geweiht. Doch wisst Ihr noch, auf welchem Fundament dieser Tempel steht? Dass das Christentum den Weg unserer Vorfahren verfremdet hat? Den Weg, dem auch Jesus und sein Bruder Jakob gefolgt sind und für den sie ihr Leben gegeben haben?«
Wills Verblüffung nahm zu. »Natürlich weiß ich das.«
»Dann besinnt Euch darauf, denn wir brauchen Euch hier. Euch eingeschlossen gibt es in ganz Schottland keine zwanzig Sionsbrüder. Und doch befindet sich unser kostbarster Besitz nun an diesem Ort unter Eurem Schutz.«
»Der Schatz«, murmelte Will und nickte.
»So ist es. Er wird nach Frankreich zurückkehren, wenn die Zeit dafür gekommen ist, doch im Augenblick wäre dies Wahnsinn. Also müsst Ihr ebenfalls bleiben, junger Freund. Das ist der Auftrag der Sionsbrüder an Euch. Ihr müsst hierbleiben und dafür sorgen, dass Eure Gemeinschaft auf Arran ein blühender Außenposten unserer Bruderschaft wird. Und damit komme ich auch auf Eure Frage: Als Meister in Schottland habt Ihr die Befehlsgewalt über die Templer hier. Befehlt ihnen also, ihr Keuschheitsgelübde aufzugeben, sich Frauen zu suchen – und mit ihnen nach Arran zurückzukehren. Die Welt steht Kopf, Sir William – es wäre töricht, dies nicht anzuerkennen, töricht, auf den rettenden Schritt zu verzichten. Diese Männer haben ihr Leben dem Orden geweiht. Jetzt ist es an ihnen, für sein Überleben zu sorgen. Ihr seid nicht allein, Sir William – doch es ist Zeit für eine neue Wiedergeburt.«
Das legendäre Ziel
Die Rückkehrer
1
E
S WAR EIN herrlicher Morgen im Juni des Jahres 1312, und Will Sinclair war endlich allein. Sein Leben als Mönch und als Befehlshaber der Templergemeinschaft von Arran ließ ihm wenig Zeit für sich selbst. Ständig wollte ihn jemand sprechen, um sich seinen Rat oder seinen Segen zu holen, und jedes Mal, wenn er sich im Freien zeigte, war er schnell von Menschen umringt. Und als Templer waren selbst seine Gebete Teil des Lebens der Gemeinschaft.
Also hatte er die Aussicht auf schönes Wetter genutzt und dem Präzeptor mitgeteilt, dass er sich für zwei Tage zurückziehen würde. Weder de Montrichard noch Tam hatten ihm widersprochen, und so hatte Will eine Satteltasche mit allem Nötigen gepackt, sich eine zusammengerollte Decke über die Schulter geworfen, sich mit Proviant für zwei Tage versorgt und sich im Stall ein kräftiges Pferd ausgesucht.
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