Der Schwur der Ritter
ich die hiesigen Templer von ihren Gelübden befreien, in diesem Fall von ihrem Eid der Keuschheit und der Armut. Doch ich gehe davon aus, dass sie mir mit großer Skepsis begegnen werden – genau wie dem König wird es auch ihnen nicht gefallen, sich von Fremden etwas vorschreiben zu lassen.«
Der Erzbischof sah ihn an. »Was müsste ich tun?«
»Gebt mir einen Brief mit, den Ihr als Primas unterschreibt, oder besser noch, schickt uns einen Abgesandten, der bei der Versammlung für Euch sprechen kann. Drückt den Männern offiziell aus, dass harte Zeiten manchmal drastische Maßnahmen erfordern. Nur wenn sie wissen, dass es ihnen hinterher gestattet sein wird, für sich selbst zu sorgen und ein Leben in Würde zu führen, werden sie die Veränderungen hinnehmen, die ich von ihnen verlange.«
»Ein Abgesandter also, da ich selbst zurück nach England muss. Nicholas, würdet Ihr das für mich tun?«
»Mit Freuden, Erzbischof. Es ist eine gute Sache, und ich werde keinen Zweifel daran lassen, dass Ihr mit Leib und Seele dahintersteht.«
»Ich danke Euch, mein Freund.« Lamberton nickte zufrieden. »Dann sind wir uns also einig. Wann kann diese Zusammenkunft stattfinden?«
»Wenn sich Davie darum kümmern kann, die Männer einzuladen – heute in einem Monat, in der Halle von Brodick.«
Lamberton klatschte in die Hände. »Hervorragend. Sind wir dann hier fertig? Nicholas hat noch eine weite Reise vor sich.«
Doch Will hatte im Lauf des Gesprächs einen Entschluss gefasst. »Verzeihung, Eure Exzellenz, doch auch ich habe eine Frage. Hat einer der Herren vielleicht Kontakte in der Gegend von Genua?«
»Ich bin mit dem dortigen Kardinal befreundet, Giacomo Bellini. Was wollt Ihr denn in Genua?«
»Dort werden die besten Schiffe der Welt gebaut, Mylord.« Will war sich bewusst, dass ihn de Moray nicht aus den Augen ließ, doch er fuhr unbeirrt fort. Er konnte viel Zeit sparen, wenn man ihm hier half. »Ich brauche eine Anzahl neuer Frachtschiffe – möglich, dass sie eigens für mich gebaut werden müssen, möglich, dass dort noch Schiffe liegen, die für den Tempel gebaut, aber nicht mehr abgenommen wurden.«
»Ich kann sofort einen Boten mit einem Brief zu Kardinal Bellini schicken, doch dazu muss ich wissen, wie viele Schiffe Ihr braucht.«
»Nun, erst muss ich erfahren, was ein solches Schiff überhaupt kosten würde. Ich hoffe, dass wir genug Geld haben.«
Jetzt meldete sich de Moray zu Wort. »Warum bringt Ihr den Brief nicht selbst nach Genua, Will? Dann braucht Ihr nicht auf die Antwort zu warten. Ihr würdet Monate einsparen – und Ihr könntet de Berenger mitnehmen, der Euch als alter Seemann beim Kauf beraten könnte.«
Lamberton willigte ein, Will ein solches Schreiben mit auf den Weg zu geben, und als sie auseinandergingen, war ein jeder von ihnen seinen Zielen näher gekommen.
2
Z
URÜCK IN DER Herberge teilte Will seinen Männern mit, dass sie sich am nächsten Morgen auf den Rückweg nach Nithsdale machen würden. Dort würden sie nach Henry sehen und ihn vielleicht schon mit nach Arran nehmen, wenn sein Zustand es erlaubte. Und er würde Jessie erzählen, was er in Bezug auf den Schiffskauf unternommen hatte.
Er stellte fest, dass er sich zum ersten Mal darauf freute, sie wiederzusehen. Ihre Unterhaltung im Stall hatte so vieles in Bewegung gesetzt. Die Direktheit, mit der sie davon ausging, dass er sie mitnehmen würde, ohne dass sie auch nur einen Gedanken an die Gefahren dieser Reise ins Ungewisse verschwendete, war letztlich unwiderstehlich gewesen.
So lag er schließlich in der Dunkelheit, ohne an Schlaf denken zu können. Jeder Versuch, diese Frau aus seinem Kopf zu verbannen, war so fruchtlos wie das Vorhaben des Dänenkönigs Knut, der geglaubt hatte, die Gezeiten umkehren zu können. Und dann begriff er, dass es auch gar nicht nötig war. Die Schuldgefühle, die ihn von Anfang an geplagt hatten, wann immer er in der Nähe dieser Frau weilte, entbehrten jeder Grundlage. Es waren christliche Schuldgefühle gewesen. Zwar hatte er sein Keuschheitsgelübde beim Eintritt in den Templerorden freiwillig abgelegt und sich kaum etwas dabei gedacht, denn er hatte die Askese selbst gewählt. Doch genauso freiwillig konnte er nun sein Leben ändern.
Er fühlte sich, als hätte jemand ein Gewicht von ihm genommen. Es gab nichts auf der Welt, das ihn daran hindern konnte, das Angebot anzunehmen, das ihm Lady Jessica Randolph gemacht hatte – und zwar in seiner ganzen großherzigen
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