Der Schwur der Ritter
Will?«
»Was für eine dumme Frage. Natürlich!«
»Wer denn? Nennt mir eine solche Frau.«
»Meine Mutter. Meine Tanten. Joan, Mary und Peggy, meine Schwestern.«
Tam schüttelte den Kopf. »Das sind doch alles Verwandte, Will. Was ich meinte, sind Frauen aus Fleisch und Blut. Und?«
Sir William wandte ihm den Kopf zu. »Nein, das wisst Ihr genau. Ihr weicht mir doch seit dreißig Jahren nicht von der Seite.«
»Aye, ich hatte befürchtet, dass Ihr das sagt. Dennoch habe ich hin und wieder einer Frau beigewohnt, ohne dass Ihr etwas davon wusstet. Ich bin zwar ein Templersergeant, aber vor allem bin ich ein Mann. Hin und wieder bin ich der Versuchung erlegen, und ich habe es genossen. Und dann habe ich es gebeichtet und habe die Absolution erhalten. Der Gott, der alles verzeiht, hat auch mir vergeben.« Er beugte sich sorgenvoll vor. »Sagt etwas, Mann, und vergesst das Atmen nicht. Ihr seht aus, als würdet Ihr ersticken.«
Will hatte die Augen aufgerissen, seine Lippen bewegten sich wortlos, und Tam Sinclair lachte. »Was ist denn? Redet in Gottes Namen!«
Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, denn der Ritter schloss abrupt den Mund und fand die Stimme wieder, auch wenn sie nicht mehr war als ein Flüstern. »In Gottes Namen? Ihr könnt Gottes Namen ins Spiel bringen? Ihr habt einen heiligen Eid abgelegt, Tam!«
Tam verzog den Mund. »Aye, ich weiß. Und ich habe ihn ein paar Mal gebrochen. Und wie alle Männer habe ich danach gebeichtet und Buße getan. Wir sind Männer, Will, keine Götter.«
»Wir sind Mönche des Tempels.«
»Aye, doch vor allem anderen sind wir Männer. Und wir haben Templerpriester und Bischöfe wie die Kirche, und ich kenne keinen, der nicht irgendwo eine Hure versteckt hat. Was für eine Welt habt Ihr Euch nur in Eurem Kopf erbaut, Will? Seid Ihr denn blind und taub, dass Ihr diese Dinge nicht seht und hört?«
William Sinclair hielt sein Schwert so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Und als er dann weitersprach, war seine Stimme wie Eis. »Ich … will … kein … Wort … mehr … davon … hören.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür hinter ihnen, und Sir Charles de St. Valéry blickte ihnen von der Schwelle entgegen.
3
S
IR WILLIAM SPRANG auf und ging auf ihn zu, doch der Admiral hob die Hand, um ihm zu signalisieren, dass er keine Hilfe brauchte. Aufmerksam sah sich St. Valéry im Raum um, bis sein Blick auf die Stelle an der Wand fiel, wo sich durch den Bolzen, der Godwinsons Kameraden getötet hatte, ein großer Steinsplitter gelöst hatte.
»Hier stinkt es nach Seife.«
»Aye, Admiral, aber es wird langsam besser. Vor einer Stunde konnte man hier kaum atmen.«
St. Valéry nickte geistesabwesend und schritt auf den Kamin zu. Sir William trat beiseite, um ihm Platz zu machen, doch statt sich zu setzen, lehnte sich der Admiral an die hohe Lehne eines Sessels. Er sah aus, als sei er seit ihrer letzten Begegnung um Jahre gealtert. Sein Gesicht war bleich, die Augen tief in ihre Höhlen gesunken. Doch seine Haltung war aufrecht und voller Würde.
»Ich habe Arnold gesehen«, begann er tonlos. »Die Ärzte meinen, dass er auf der Stelle tot war und nichts gespürt hat. Wahrscheinlich hat er den Tod nicht einmal kommen sehen. Ich möchte gern glauben, dass er so gestorben ist, ohne den Verrat zu ahnen. Wir sind sehr lange Freunde gewesen, er und ich … länger als so manches Menschenleben. Er wird mir furchtbar fehlen.« Er holte tief Luft und richtete sich auf. Als er sich Sir William zuwandte, war er wieder der Admiral der Flotte, der seinen persönlichen Kummer den Erfordernissen der Pflicht unterordnete. »Doch ich fürchte, ich werde erst später trauern können. Man sagt, Ihr überbringt uns dringende Nachrichten, Sir William. Nachrichten von Meister de Molay persönlich.«
»So ist es, Admiral.«
St. Valéry ließ die Augen durch den Raum schweifen. »Haben sie etwas mit dem grauenvollen Verbrechen zu tun, das sich hier abgespielt hat?«
Sir William richtete den Blick auf Tam Sinclair, der mit gespitzten Lippen nickte.
»Ja und nein, Admiral. Ich glaube zwar, dass es einen Zusammenhang gibt, aber ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Ich habe meine Vermutungen, aber keine Beweise.«
»Hmm.« St. Valéry zog den Sessel, dessen Lehne er gepackt hielt, ein Stück vom Feuer fort. »Dann machen wir es uns am besten bequem, und Ihr erzählt mir alles.«
Sie nahmen zur Rechten und zur Linken des Admirals Platz – etwas, woran
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