Der Schwur der Ritter
gegangen. William de Nogaret hat einen Befehl des Monarchen an seine Armee herausgegeben, am Freitag, dem dreizehnten Oktober, bei Tagesanbruch jeden Templer auf französischem Boden festzunehmen.«
St. Valéry erstarrte. »Das ist ja … einfach unglaublich!«
»Aye, das ist es. Und es ist schon morgen.«
»Aber das ist ja grotesk!«
»Auch da widerspreche ich Euch nicht. Dennoch ist es wahr. Morgen früh beim ersten Lichtstrahl werden die Männer des Königs an diese Tür hämmern.«
St. Valéry saß da wie vom Donner gerührt, und Sir William wusste genau, was in seinem Kopf vorging. Sämtliche Templer in Frankreich an einem Tag verhaftet und eingekerkert? Es war grotesk. Es gab Tausende von Templerbrüdern in Frankreich, Soldaten genau wie Kaufleute und Bankiers, Kirchenmänner oder kleine Händler, Handwerker oder kleine Politiker – all die Männer, die dafür sorgten, dass das gigantische Imperium des Tempels reibungslos funktionierte. Der Orden des Tempels war die reichste zivile Institution der Welt; sein militärischer Zweig war seit zwei Jahrhunderten die Armee der Kirche, die einzige reguläre Kampfmacht der Christenwelt, und er genoss einen makellosen Ruf. Die viel zitierten Hospitalritter galten inzwischen als ihre Rivalen, doch im Vergleich zu den Tempelrittern, dem ursprünglichen Kriegerorden, hatten sie nur wenig Ruhmreiches vorzuweisen. Kein Wunder, dass es dem Admiral die Sprache verschlug bei der Vorstellung, ein Bollwerk wie der Tempel könnte durch einen einzelnen, geldgierigen König bedroht, geschweige denn zu Fall gebracht werden.
Doch St. Valéry verharrte nicht lange in seiner Verblüffung. »Wie lauten meine Anweisungen? Soll sich meine Flotte ergeben?«
Da musste Sir William Sinclair lächeln. »Niemals. Ihr sollt die Schiffe noch heute Nacht beladen und Euch so weit aufs Meer zurückziehen, dass man sie nicht erreichen kann. Der Großmeister hegt – im Gegensatz zu mir – noch letzte Zweifel über den Ernst der Lage. Sollte der morgige Tag die Katastrophe bringen, wovon ich ausgehe, sollt Ihr Euch mit der Flotte in Sicherheit bringen, bis eine Lösung für die Situation gefunden ist. Bis dahin sollt Ihr nötigenfalls auf See verharren und Euch selbst versorgen. Und Ihr werdet mich mitnehmen, als Eskorte des Ordensschatzes.«
Dem Admiral klappte der Mund auf. »Ihr habt den Schatz hier? Den Templerschatz?«
»Nicht hier in La Rochelle, aber in der Nähe.«
»Wie habt Ihr ihn denn aus Paris geholt?«
»Er ist schon seit zehn Jahren nicht mehr in Paris, sondern er war auf Befehl des Großmeisters sicher in einer Höhle im Wald von Fontainebleau vergraben.«
»Seit zehn Jahren? Und sicher vor wem, in Gottes heiligem Namen?«
»Vor den Männern, die auch jetzt danach trachten, Sir Charles. Vor Philipp Capet und William de Nogaret. Damals gab es zwar noch keine konkrete Bedrohung, doch Großmeister de Molay hat seine Pflicht als Hüter des Schatzes stets sehr ernst genommen.«
»Also …« St. Valéry räusperte sich erneut. »Dann ist es also so, dass ihr zu zweit, nur in Begleitung eines kleinen Trupps von Sergeanten, den gesamten Templerschatz ungeschützt durch halb Frankreich transportiert habt? Wie groß ist denn dieser Schatz überhaupt?«
Sir William schüttelte den Kopf. »Der Templerschatz hat nichts mit dem weltlichen Vermögen des Ordens zu tun. Es sind vier Truhen, die wir vor der Belagerung von Acre gerettet haben.«
St. Valéry sah dem jüngeren Ritter direkt in die Augen und fragte ihn unverblümt: »Was enthalten sie denn? Habt Ihr das je in Erfahrung gebracht?«
Sir William lächelte. »Ihr wisst doch, dass mich ein Eid verpflichtet, niemandem etwas davon zu erzählen, Sir Charles. Doch ich weiß ohnehin nicht mehr als Ihr.«
St. Valéry nickte. »Natürlich. Und doch habe weder ich noch mein werter Freund Arnold, Gott sei seiner Seele gnädig, je einen Blick auf den Schatz geworfen, und das, nachdem wir dem Orden ein Leben lang gedient haben, wohingegen er Euch bereits zweimal anvertraut worden ist.«
»Das stimmt nicht ganz, Admiral. Ich habe den Schatz zweimal begleitet und die vier Truhen zu Gesicht bekommen. Doch die Verantwortung für seine Sicherheit lag beim ersten Mal in den Händen unseres verstorbenen Großmeisters Tibauld Gaudin. Er hatte die Aufgabe, ihn aus Acre sicher nach Sidon zu bringen. Ich war nur mit auf seinem Schiff.«
»Aber diesmal tragt Ihr die Verantwortung. Wie habt Ihr ihn denn hierhertransportiert?«
»Unter schwerer
Weitere Kostenlose Bücher