Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
Vom Netzwerk:
Gischtschauer mehr. Das Schiff schlingerte in atemberaubendem Tempo zwar immer noch mit jeder Woge in ein tiefes Tal, jedoch längst nicht mehr mit derselben Wucht wie zuvor. Als Sinclair sich wieder im Griff hatte, wandte er sich zu de Berenger um.
    »Ah, jetzt geht es mir besser, viel besser. Ich danke Euch für Eure Sorge um meinen Magen und mein Wohlergehen, Sir Edward. Nun. Bruder Anselm. Natürlich musste er ebenfalls feststellen, dass es in unseren Archiven keine Beweise für die Legende von Merica gibt. Doch dann ist er einen Schritt weitergegangen und hat nach der Quelle der Quellen geforscht.«
    De Berenger runzelte die Stirn. »Wie kann es denn hinter einer Quelle noch eine Quelle geben?«
    »Genau das habe ich ihn auch gefragt«, erwiderte William Sinclair, den Blick auf das tosende Meer gerichtet. »Ich weiß noch, wie er mich angelächelt hat, bevor er mich auf den Fehler in meiner Logik aufmerksam gemacht hat. Natürlich war ich nur von unseren eigenen Quellen ausgegangen – den Quellen, auf denen die Ordensväter unsere Überlieferungen aufgebaut haben. Die ganze Wahrnehmung unseres Ordens konzentriert sich nun einmal auf unsere Überlieferungen.« Er richtete den Blick wieder auf seinen Gesprächspartner. »Seid Ihr über meinen ersten Händedruck in La Rochelle nicht überrascht gewesen?«
    »Doch, das war ich«, sagte de Berenger. »Es ist eine Weile her, seit ich zuletzt einem Templeroffizier begegnet bin, der außerdem der Bruderschaft angehört.«
    »Dann habt Ihr mich also von Anfang an mehr als Templer gesehen denn als Mitglied der Bruderschaft?« In de Berengers Gesicht zeigte sich Bestürzung, doch Sinclair winkte grinsend ab. »Keine Sorge, Mann, ich wollte Euch nur demonstrieren, wie sehr unsere Wahrnehmung unsere Denkweise beeinflusst. Bruder Anselm hat mich gelehrt, dass es sich mit der Legende von Merica ähnlich verhält.«
    De Berenger musterte ihn fragend, und er fuhr fort. »Seit Anbeginn unserer Bruderschaft ist Geheimhaltung unser oberstes Gebot gewesen. Wir gehen heute davon aus, dass der Grund dafür in der Notwendigkeit lag, unsere jüdische Identität vor der Rache Roms zu verbergen. Doch die Priesterschaft im alten Judäa war schon eine abgeschottete Gemeinschaft, lange bevor sich Rom auf seinen sieben Hügeln zu regen begann. Ihre Wurzeln reichen bis ins alte Ägypten der Pharaonen und die Versklavung der Israeliten zurück. Unsere Vorväter haben ihre Traditionen aus Ägypten nach Jerusalem mitgebracht, Traditionen, die tief in der Verehrung von Isis und Osiris verwurzelt waren – und darauf hat Salomon seinen Tempel errichtet.«
    Sinclair hielt inne, um zuzusehen, wie ein junger Seemann mit einem Eimer die Leiter von der Steuerplattform hinunterstieg. Als der junge Mann an ihnen vorüber und außer Hörweite war, fuhr er fort.
    »Anselm hat mir die Augen dafür geöffnet, dass unsere Vorväter der jüngeren Geschichte auf der Flucht aus Jerusalem nur das mitnehmen konnten, was sie tragen konnten. Den Rest hatten sie versteckt. Als Hugh de Payens und seine Freunde ihn zwölfhundert Jahre später fanden, hatte sich unsere Bruderschaft längst auf die Lehren gestützt, die man aus Palästina gerettet hatte. Da sie auch nur Menschen waren, haben sich die ersten Brüder vor allem auf jene Teile der Überlieferung konzentriert, in denen es um die Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre wahre Heimat ging. Vieles andere geriet dadurch in Vergessenheit oder wurde zur Legende – darunter das Wissen um Merica.«
    Sir Edward de Berenger lehnte an der Bordwand und starrte William Sinclair wortlos an.
    Sinclair lächelte. »Findet Ihr das so schwer zu glauben?«
    Der Vizeadmiral schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nur erstaunt, weil es so naheliegend ist.«
    Wieder blickte Sinclair auf das Wasser hinaus, und in diesem Moment öffnete sich eine Lücke in den Wolken, die einen einzelnen Lichtstrahl auf das Wasser fallen ließ.
    »Seht – ein einzelner Sonnenstrahl verändert unser ganzes Bild von der Welt. Wie unbedeutend und klein wir Menschen doch sind. Wir wollen die ganze Welt verändern und gründen Königreiche und mächtige Orden, nur um dann miterleben zu müssen, wie sie von Dingen zu Fall gebracht werden, auf die wir keinen Einfluss haben.« Er verzog das Gesicht zu einer ironischen Grimasse und sah de Berenger an. »Allmählich beschleicht mich doch die Angst, Edward, dass wir hier hoffnungslos verloren sind und das Ende einer Ära verfolgen müssen. Das Ende der Welt, wie

Weitere Kostenlose Bücher