Der Schwur der Ritter
wir sie kennen.«
»Nicht doch, Sir William, in Gottes heiligem Namen. Unsere Schiffe werden wieder zusammenfinden, wenn sich der Wind legt, das verspreche ich Euch.«
»Aye, gewiss. Doch gilt das gleichzeitig für unsere Stärke und unsere Macht?« Sinclair schüttelte den Kopf. »Bis zu dem Moment, in dem wir in den Tagesraum der Kommandantur eingedrungen sind und auf die Mörder gestoßen sind, die auf den General warteten, habe ich die Wahrheit nicht geglaubt, habe ich an ein furchtbares Missverständnis geglaubt. Doch es war die furchtbare Wahrheit. Wir sind so naiv gewesen, dass es kaum zu glauben ist. Frankreich ist zu einem Verlies geworden, nicht nur für unsere Brüder, sondern auch für unsere Ideale und Prinzipien. Und weil das so ist, muss ich gestehen, dass ich es erwäge, Admiral St. Valéry die Erlaubnis für seine Fahrt nach Westen zu erteilen.«
Der Vizeadmiral schwieg, doch sein Gesicht drückte Verwunderung und Skepsis aus.
»Ihr blickt finster drein«, sagte Sinclair schließlich zu ihm. »Was haltet Ihr davon?«
De Berenger schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Sir William. Im ersten Moment klingt es nach purer Narrheit. Die westliche See ist unendlich, und Sir Charles dorthin segeln zu lassen bedeutet, ihn in den Tod zu schicken.«
Will Sinclair grinste. Jetzt, da sich die See allmählich beruhigte, war es herrlich hier an Deck.
»Keine Angst, Sir Edward, ich habe ja nicht gesagt, dass ich ihn wirklich ziehen lasse, denn Ihr habt natürlich recht. Andererseits glaube ich aber, dass er es verdient hat, dass man seine Bitte ernst nimmt. Er fürchtet das Exil in einem fremden Land, und einen anderen Zufluchtsort als Schottland kann ich mir nicht vorstellen. Philipp Capet hat mit dem Segen seines zahmen Papstes gehandelt, und es wird nicht lange dauern, bis andere seinem Beispiel folgen. Doch Robert Bruce wurde exkommuniziert, und unter seinen Anhängern finden sich viele schottische Templer – es gibt keine andere Zuflucht für uns.«
»Ihr malt ein finsteres Bild, Sir William.«
»Nur so finster, wie es in Wirklichkeit ist.« Sir William spähte zum Himmel, an dem sich die blaue Lücke nun rasch vergrößerte. »Es sieht tatsächlich so aus, als würde es aufklaren. Wenn der Admiral wieder zu uns stößt, werde ich noch einmal mit ihm sprechen.«
Vergiftet
1
J
ESSICA RANDOLPH STAND über die schlafende Gestalt ihrer Zofe Marie gebeugt. Trotz ihrer Müdigkeit musste sie lächeln beim Anblick der beiden treuen Seelen, die eigentlich für sie sorgen sollten, die jedoch so von der Seekrankheit übermannt worden waren, dass Jessie schon seit fünf Tagen die Rollen mit ihnen getauscht hatte. Nun, da der Sturm endlich nachließ, waren sie in ihrem improvisierten, halb offenen Lederzelt vor den Blicken der Männer und der Sonne geschützt, doch an der frischen Luft in den Schlaf gesunken. Während sich Jessie aufrichtete, strich sie sich mit der einen Hand die Haare aus dem Gesicht und knetete sich mit der anderen das Kreuz, das von der gebückten Haltung schmerzte.
Sie hatte keine Ahnung, warum sie selbst das Toben der See in aller Seelenruhe und ohne den geringsten Anflug von Übelkeit überstanden hatte. Doch sie war dankbar dafür, umso mehr, als fast die gesamte Mannschaft des Schiffes in Mitleidenschaft gezogen worden war. Selbst ein alter Seebär wie ihr Schwager, der Admiral, war vom Wüten des Sturms krank geworden, genau wie seine Offiziere, von denen keiner mehr in der Lage gewesen war, seinen Dienst zu versehen. Die Ruder hatten seit dem Beginn der Stürme das Wasser nicht mehr berührt, und ihre Bemannung war auch zu keiner anderen Aufgabe im Stande gewesen. Schließlich hatte der Sergeant namens Tescar, der bei Jessies Eintreffen die Wache der Kommandantur befehligt hatte, vorübergehend das Kommando übernehmen müssen, obwohl er noch nie zuvor zur See gefahren war.
Genau wie Jessie hatte auch er gestaunt, weil ihm das Toben der Elemente nichts ausmachte, während ringsum ein erfahrener Seemann nach dem anderen den Dienst quittieren musste. Gemeinsam mit einer Handvoll anderer Männer, die ebenfalls verschont geblieben waren, hatten sie alles dafür getan, dass die Kranken auf dem Schiff am Leben blieben. Gerade wankte wieder eine der gespenstischen, ausgezehrten Gestalten an ihr vorüber, doch plötzlich fiel ihr auf, dass sich der Mann fortbewegte, ohne sich an der Takelage festzuhalten. Tatsächlich, die Schlingerbewegungen des Schiffes hatten
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