Der Schwur der Ritter
Gelübde, wenn ich Euch davon erzähle. Aber ich weiß nicht, ob das jetzt noch wichtig ist.«
Er verstummte, doch Jessica wartete geduldig darauf, dass er weitersprach.
»Wie schon gesagt, seid Ihr meine letzte engere Verwandte, und es drängt mich, Euch ins Vertrauen zu ziehen. Gewiss überrascht es Euch nicht zu hören, dass unser Orden einen Schatz an antiken Überlieferungen hütet, von denen viele der strengsten Geheimhaltung unterliegen, andere dagegen nicht genügend … in der Wirklichkeit verankert sind, um sie zu verbreiten. Zu diesen zählen die Erzählungen von einem Ort jenseits der westlichen See, einer gigantischen Landmasse, über der ein leuchtender Abendstern wacht und die von ihren Einwohnern Merica genannt wird. Doch wir haben keinen Beweis für die Existenz dieses Ortes, und er ist nur wie ein Schatten.«
»Wie alt?«, fragte sie. Sie sah, wie er die Augenbrauen hochzog, und wagte sich weiter vor. »Ihr habt von antiken Überlieferungen gesprochen, doch Euer Orden ist erst vor weniger als zweihundert Jahren gegründet worden. Das scheint mir den Begriff ›antik‹ kaum zu rechtfertigen.«
Bewunderung und Respekt spiegelten sich in seiner Miene. »Ich kenne nicht viele Männer, liebe Schwester, die die Geistesgegenwart besessen hätten, diese Anmerkung zu machen. Frauen sind doch angeblich zu solch vernünftigen Gedankengängen gar nicht in der Lage – eine Behauptung, von der ich allmählich vermute, dass sie den Männern hilft, sich ihr Gefühl der Überlegenheit zu erhalten. Ihr habt recht, und ich bin beeindruckt. Der Templerorden ist noch nicht sehr alt, doch die Überlieferungen, die sein Fundament bilden, entstammen der Antike. Mehr kann ich nicht sagen, ohne meinen Eid zu brechen.«
Jessie nahm seine Worte mit einem Kopfnicken hin. »Es gibt also ein antikes Gerücht, eine bruchstückhafte Legende, von der Ihr selbst einräumt, dass sie möglicherweise nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat … und Ihr wollt der Suche nach diesem Ort den Rest Eures Lebens widmen? Verzeiht mir, doch das scheint mir eine Narrheit zu sein. Wie wollt Ihr das anfangen? Und wer würde Euch begleiten?«
»Es ist gut möglich, dass mich niemand begleiten will, und in diesem Fall wäre es auch mir unmöglich. Doch ich hoffe, dass sich unter meinen Männern genug unerschrockene Seelen finden, um den Versuch zu wagen.«
»Ihr meint, um mit Euch in den so gut wie sicheren Tod zu fahren?«
»Ja, wenn Ihr es so ausdrücken wollt. Doch die Gewissheit des Todes hätte nicht annähernd die Bedeutung, die Euer Ton vermuten lässt. Unsere Bruderschaft gründet sich auf den Glauben … den Glauben an Gott, an uns und an unsere Mission. Der Schatz, den Sir William auf seinem Schiff begleitet, ist der beste Beweis für den wahren Kern unserer Überlieferungen. Seine Entdeckung in den Eingeweiden des Tempels von Jerusalem war nur durch den Glauben der Männer möglich, die Jahre ihres Lebens mit der Suche danach verbracht haben. Unser Ordensgründer Hugh de Payens konnte sich nur an alten Dokumenten orientieren, und doch hat er so fest daran geglaubt, dass er sich mit seinen Kameraden neun Jahre lang durch den Tempelfelsen gegraben hat, bis er den Schatz gefunden hat.«
»Woraus besteht denn dieser Schatz? Er muss ja sehr kostbar sein.«
»Aye, er ist von unschätzbarem Wert – und von unschätzbarer Sprengkraft. Doch was er enthält, ist ein Geheimnis. Ich glaube nicht, dass es ein lebendes Ordensmitglied gibt, das diese Truhen je offen gesehen hat. Bis gestern Abend hatte auch ich zwanzig Jahre nichts mehr von dem Schatz gehört – seit dem Fall von Acre.«
»Dennoch ist bekannt, dass der Schatz existiert, Sir Charles. Euer Vorhaben dagegen ist etwas ganz anderes. Selbst wenn Ihr eine Besatzung fändet, die Euch so treu ergeben wäre wie die Männer, die Eurem Ordensgründer zur Seite gestanden haben, müssten sie ja alles aufgeben, um mit Euch auf das westliche Meer zu segeln und sein Ende zu suchen. Sie müssten bereit sein, den Sturz in den Abgrund zu riskieren.«
»Jeder Mensch riskiert den Sturz in den Abgrund, Schwester, indem er einfach nur lebt. Ich glaube, dass es auf meiner Galeere die richtigen Männer gibt und dass sie mich begleiten würden.«
»Und warum sollte Sir William Euch die Erlaubnis zu einem solch vergeblichen Unterfangen erteilen?«
Der Admiral zuckte mit den Achseln. »Nun … wir gehen ja nach wie vor davon aus, dass wir von den Galeeren verfolgt werden, die in La Rochelle
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