Der Schwur der Ritter
reagieren konnte, begann der Mann an der Mastspitze laut zu zählen.
»Fünf Galeeren!«, rief er. »Erst eine, dann vier! Und … dahinter kommen noch mehr. Es folgen ihnen noch zwei, nein, drei.«
St. Valéry sah Will Sinclair an. »Fünf Templergaleeren, die vor drei weiteren Schiffen flüchten? Das ist unmöglich. Es muss eine andere Erklärung geben. Die drei Verfolger müssen unsere eigenen Männer sein. Womöglich sind sie doch aus La Rochelle entkommen, bevor man sie überwältigen konnte.«
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Z
WEI STUNDEN NACH dem ersten Auftauchen der fernen Segel stand Will Sinclair am Heck der Admiralsgaleere und beobachtete das Herannahen der drei fremden Galeeren. Selbst er konnte erkennen, warum die Offiziere Kommandeur de l’Armentières Schiff als unverwechselbar bezeichnet hatten. Die Templergaleeren entsprachen der Konstruktion der alten Römergaleeren und wurden in der Gegend von Genua von Schiffsbauern hergestellt, die seit Jahrhunderten nichts anderes taten. Es waren massive Schiffe mit doppelten Ruderbänken und einer langen Bugramme, deren einziger Unterschied zu den Schiffen der Römerflotte darin bestand, dass ihre Segel nicht mehr aus Leder bestanden, sondern aus schwerem Tuch. De l’Armentières Schiff war länger, flacher und schmaler; es hatte sechsunddreißig Ruder, jedoch auf jeder Bordseite nur eine Ruderreihe. Auch der Mast war kleiner als bei den Templerschiffen, doch es war nicht zu übersehen, dass dieses Schiff für Schnelligkeit und für den Kampf gebaut war. Seine lange Bugramme war mit Kupferblech verkleidet und schwang sich vor dem Schiff aus dem Wasser wie das Horn eines wilden Tiers.
Die beiden Schiffe, die der fremdartigen Galeere folgten, waren Templerschiffe, die jeweils achtzig bis hundert Mann Besatzung mit sich führten. Also war ihr kleines Heer auf einen Schlag noch einmal um zwei- bis dreihundert Mann angewachsen.
Als er verfolgte, wie das Anführerschiff einige Boote zu Wasser ließ, wandte er sich ab, um die Ankömmlinge in der großen Kajüte zu erwarten. Dabei entdeckte er die Baronin St. Valéry, die das Geschehen vom Heck seines Schwesterschiffs aus beobachtete. Plötzlich stockte ihm der Atem, als sei er gerade selbst auf den Mast gestiegen, um zu erforschen, welches Schicksal ihnen der Horizont brachte.
6
S
IR ANTOINE DE l’Armentière war genau die Sorte Mann, die Will Sinclair erwartet hatte – das, was der Volksmund als Tempeleber bezeichnete: ein Mönchskrieger, der keinerlei Humor besaß und kein Lebensziel außer dem Tempel kannte. De l’Armentière trat in die Kajüte, als sei sie sein persönliches Reich, und nahm vor dem Admiral Haltung an, ohne die restlichen Anwesenden zu beachten.
St. Valéry begrüßte ihn höflich und stellte ihn den Offizieren vor, bis die Reihe schließlich an Will kam.
»Darf ich Euch Sir William Sinclair vorstellen, Sir Antoine? Er gehört dem Ordensrat an und ist als Stellvertreter des Großmeisters hier.« Er wandte sich an Will. »Sir Antoine stammt aus dem Burgund, Sir William. Seine Familie steht dem Templerorden seit seinen Anfängen in Jerusalem nah.« Kein Sionsbruder also, dachte Sinclair, während der Admiral die Runde anwies, sich niederzusetzen.
Als alle Platz genommen hatten, wies St. Valéry auf de l’Armentière. »Bitte erstattet uns Bericht, Sir Antoine. Wir wissen, dass Ihr nur wenige Stunden nach unserem Aufbruch in La Rochelle eingetroffen seid, doch unsere Späher waren zu weit entfernt, um Euch an der Hafeneinfahrt zu hindern. Seitdem hatten wir befürchtet, dass man Euch geentert hätte und der Feind Eure Schiffe benutzen würde, um uns zu verfolgen. Bitte erzählt uns, was geschehen ist.«
Tempeleber oder nicht, de l’Armentière genoss den Moment, in dem alle Augen auf ihn gerichtet waren. Eine Weile saß er stirnrunzelnd da, als überlegte er, dann blickte er sich langsam in der Runde um.
»Wer ist denn dieser Feind?«, fragte er schließlich, und dann begann er. »Wir kamen direkt aus Zypern und haben die Uniformen des Königs in der Menge am Kai gesehen. Viel auffälliger jedoch waren die brennenden Schiffe und die Tatsache, dass keinerlei Templerschiffe mehr im Hafen lagen. Auch waren die Banner des Ordens von den Zinnen der Kommandantur verschwunden.«
Umgehend hatte er das Kommando erteilt, außer Schussweite des Kais vor Anker zu gehen. Es wurde zwar trotzdem auf sie geschossen, doch niemand hatte versucht, sich ihnen zu nähern. Außerdem war es nicht zu übersehen gewesen, dass die
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