Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
unübersichtlichen Hügel suchte. Selbst am Tage trauten sich nur wenige hierher, denn die namenlose Hügelkette war von einem unheimlichen Ruch umgeben. Von denen, die den Weg auf sich nahmen, kamen noch weniger zurück, und selbst die Leibwächter, die Harnak sorgfältig ausgesucht hatte, reagierten mit Unwillen, als sie sein Ziel errieten. Es waren Männer, die keinem Stamm angehörten, Ausgestoßene, die alles, was sie waren und jemals sein würden, ihm verdankten. Sie murrten immer, wenn er hierher kam, und ihre ängstliche Erleichterung war unübersehbar, als er ihnen befahl, anzuhalten und auf seine Rückkehr zu warten. Keiner von ihnen wusste, was er auf seinen Ausflügen in die Berge tat, doch es interessierte auch niemanden. Sie hatten oft genug erlebt, wie er die gebundenen Gefangenen hierher gebracht hatte. Zurückgekommen war er jedoch immer allein.
Der holprige Weg umrundete einen letzten Hügel und endete
vor einer hohen, blanken Felswand. Sein Pferd tänzelte nervös und wehrte sich gegen das Gebiss, als er am Zügel zog. Das Fell des Tieres war schweißnass vor Panik. Harnak fluchte, beugte sich vor und hämmerte dem Tier seine geballte Faust zwischen die Ohren. Das Pferd wieherte gequält auf und blieb dann ruhig stehen.
Harnak grunzte zufrieden, stieg ab und band es an einen der verkümmerten Bäume an, die hier überlebten. Er zog ein goldenes Amulett aus seinem Wams und nahm die Kette vom Hals, während er sich dem blanken Fels näherte, spie dann seltsam förmlich auf den Boden und kreuzte wartend die Arme.
Die Sekunden verstrichen, dehnten sich zu einer vollen Minute, bis sein Pferd furchtsam wimmerte und an seinen straffen Zügeln zerrte. Mattes, grünes Licht leuchtete in dem Stein auf, wurde heller und stärker, bis es den smaragdenen Glanz von Gift annahm. Der Fels schien zu wabern und zu fließen, eingehüllt in die unnatürliche Strahlung des giftigen Lichtes, das Harnaks Schatten wie den einer missgebildeten Bestie in das Tal hinter ihm warf. Plötzlich, wie ein Schwerthieb, verschwand das Licht und mit ihm die blanke, steinerne Wand.
Die gähnende Öffnung vor Harnak wirkte irgendwie … falsch. Ihre Winkel gehorchten einer merkwürdig verdrehten Geometrie. Nichts war gerade, das steinerne Relief eines gewaltigen Skorpions blickte von oben auf ihn herab. Flackerndes rotes Fackellicht glomm tief in den Eingeweiden des Hügels und beleuchtete die Umrisse einer verhüllten Gestalt, die ihre Hände in die weiten Ärmel einer Robe gesteckt hatte, während sie sich verbeugte.
»Willkommen, mein Prinz.« Die tiefe Stimme sprach Menschensprache, nicht Hradani, doch Harnak verbeugte sich mit einem Respekt, den er sonst keinem Sterblichen gegenüber gewährte.
»Ich danke Euch, Tharnatus, und erbitte Eure Erlaubnis, Euer Heim betreten zu dürfen.« Seiner fehlenden Zähne wegen lispelte er, doch nicht einmal diese genuschelten Worte konnte die Ergebenheit, ja die Furcht in der Stimme des Prinzen verbergen.
Der Mann, den er als Tharnatus angesprochen hatte, richtete sich auf.
»Es ist nicht mein Haus, mein Prinz«, erwiderte er, als genüge er einer rituellen Zeremonie, »sondern das Haus des Skorpions.« Er trat mit einer einladenden Geste zur Seite, und Harnak verbeugte sich noch einmal, bevor er an ihm vorbei auf den Hügel zuging.
Der Gang führte tief unter die Erde. Seine steinernen Wände waren behauen und glatt und weit sorgfältiger bearbeitet als die bröckelnden Mauern in Churnazhs Palast. In regelmäßigen Abständen führten Torbögen in Seitengänge, und im Licht der Fackeln glänzten die geschliffenen Steine von Mosaiken, die Horrorgestalten abbildeten. Geflügelte Albträume stürmten durch ein Meer aus kreischenden Kriegern, packten sie, rissen ihnen mit Hornkiefern und -zangen die Köpfe und Gliedmaßen wie mit Streitäxten ab. Andere, noch obszönere Gestalten glitten durch prächtige Tempel, und ihre gierigen Augen loderten, während sie zu Altären krochen und flogen oder auf schleimigen Spuren glitten, auf denen Jungfrauen panisch vor Entsetzen an ihren Ketten zerrten. Über all dem lauerte, halb verborgen und halb sichtbar wie eine gewaltige Wolke der riesige, flammenäugige Skorpion. Auf seinem Rücken thronte eine menschenähnliche Gestalt, der wie im Kielwasser des Bösen der Horror folgte.
Durch die zentrale Kammer gelangten sie in eine noch größere Halle. Sie war rund, mit einer gewölbten Decke aus Stein, der so blank poliert war, dass er die Helligkeit
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