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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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soll.«
    Das Essen bestand in Schinken, Brod und Bier. Wir hatten kaum begonnen, so hörten wir, scheinbar einige Häuser weit, das Winseln eines Hundes.
    »Das ist das Zeichen,« sagte Lange, indem er aufstand. »Die Leute sind da.«
    Er ging hinaus, um zu öffnen, und kehrte mit seinem Sohne und fünf Männern zurück, welche mit Gewehren, Revolvern und Messern bewaffnet waren. Sie nahmen schweigend Platz, wo sie irgend einen Gegenstand zum Sitzen fanden. Keiner sprach ein Wort, aber Alle musterten die Fenster, ob dieselben auch gut verhangen seien. Das waren die richtigen Leute. Nicht sprechen und viele Worte machen, aber bereit zur That. Unter ihnen war ein alter, grauhaariger und graubärtiger Mann, welcher kein Auge von Old Death wendete. Er war der Erste, welcher sprach, und zwar zu meinem Begleiter:
    »Verzeiht, Master! Will hat mir gesagt, wen ich hier treffen werde, und ich habe mich sehr darüber gefreut, denn ich meine, daß wir uns schon einmal gesehen haben.«
    »Möglich!« antwortete der Fährtensucher. »Habe schon vieler Leute Kinder gesehen.«
    »Könnt Ihr Euch nicht auf mich besinnen?«
    Old Death betrachtete den Sprecher genau und sagte dann:
    »Ich calculire allerdings, daß wir uns bereits einmal begegnet sein müssen, kann mich aber nicht besinnen, wo das geschehen ist.«
    »Drüben in Californien vor etwa zwanzig Jahren und zwar im Chinesenviertel. Besinnt Euch einmal! Es wurde scharf gespielt und nebenbei Opium geraucht. Ich hatte all mein Geld verspielt, nahe an tausend Dollars. Eine einzige Münze hatte ich noch; die wollte ich nicht auf die Karte setzen, sondern verrauchen und mir dann eine Kugel durch den Kopf jagen. Ich war ein leidenschaftlicher Spieler gewesen und stand am Ende meines Könnens. Da – – –«
    »Schon gut! Besinne mich!« unterbrach ihn Old Death. »Ist nicht nothwendig, daß Ihr das erzählt.«
    »O doch, Sir, denn Ihr habt mich gerettet. Ihr hattet die Hälfte meines Verlustes gewonnen. Ihr nahmt mich bei Seite, gabt mir das Geld wieder und nahmt mir dafür das heilige Versprechen ab, nie wieder zu spielen und vor allen Dingen auf die Bekanntschaft mit dem Opiumteufel ein-für allemal zu verzichten. Ich gab Euch dieses Versprechen und habe es gehalten, wenn es mir auch sauer genug geworden ist. Ihr seid mein Retter. Ich bin inzwischen ein wohlhabender Mann geworden, und wenn Ihr mir eine große Freude machen wollt, so erlaubt Ihr mir, Euch das Geld zurückzugeben.«
    »So dumm bin ich nicht!« lachte Old Death. »Bin lange Zeit stolz darauf gewesen, auch einmal etwas Gutes verbrochen zu haben, und werde mich hüten, dieses Bewußtsein gegen Euer Geld zu verkaufen. Wenn ich einmal sterbe, so habe ich nichts, gar nichts Gutes vorzubringen als nur dieses Eine, und das gebe ich also niemals her! Reden wir von andern Dingen, die jetzt viel nothwendiger sind. Ich habe Euch damals vor zwei Teufeln gewarnt, welche ich leider genau kannte. Aber Eurer Willenskraft habt Ihr allein Eure Rettung zu verdanken. Reden wir nicht mehr davon!«
    Bei diesen Worten des Scout ging mir eine Ahnung auf. Er hatte mir in New-Orleans gesagt, seine Mutter habe ihn auf den Weg gesetzt, welcher zum Glücke führe, er aber habe seine eigene Richtung eingeschlagen. Jetzt bezeichnete er sich als einen genauen Kenner der beiden fürchterlichen Laster des Spieles und des Opiumrauchens. Konnte er diese Kenntniß allein durch die Beobachtung Anderer erlangt haben? Wohl schwerlich. Ich vermuthete, er sei selbst leidenschaftlicher Spieler gewesen, sei es vielleicht noch. Und was das Opium betrifft, so wies seine dürre, skelettartige Gestalt auf den zerstörenden Genuß desselben hin. Sollte er noch jetzt heimlicher Opiumraucher sein? Vielleicht doch nicht, denn das Rauchen dieses Giftes setzt einen gewissen Ueberfluß an Zeit voraus, welcher dem Scout während unsers Rittes nicht zur Verfügung stand. Vielleicht aber war er Opiumesser. Auf alle Fälle war er dem Genusse dieser gefährlichen Substanz noch jetzt ergeben. Hätte er demselben entsagt, so wäre es seinem Körper wohl schon gelungen, sich nach und nach von den Folgen zu erholen. Ich begann, den Alten mit andern Augen zu betrachten. Zu der Achtung, welche er mir bisher eingeflößt hatte, trat ein gutes Theil Mitleid. Wie mochte er gegen die beiden Teufel gekämpft haben! Welch einen gesunden Körper, welch einen hochbegabten Geist mußte er besessen haben, da das Gift es bis heute noch nicht fertig gebracht hatte, beide völlig zu

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