Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Sprengschuß gethan werden solle, sobald einer von uns Dreien mit der Meldung zurückkehre, daß er die Spione gesehen habe.
    Wir mußten uns nämlich theilen. Die Indsmen kamen jedenfalls von Norden, und da gab es nach der Aussage des Zahlmeisters drei Richtungen, aus denen sie sich nähern konnten. Ich hatte die westlichste Partie übernommen, Winnetou die mittlere und Walker die östlichste, so daß er denselben Weg zu überwachen hatte, auf welchen wir selbst nach dem Cannon gekommen waren.
    Ich klomm die steilen Felswände empor, trat oben in den Urwald ein und hielt mich dann am Rande einer Seitenschlucht immer nach Norden zu. Nach ungefähr dreiviertel Stunden erreichte ich einen Ort, der für mein Vorhaben wie geschaffen schien. Auf der höchsten Kuppe des Urwaldes stand eine riesige Steineiche und neben ihr eine schlanke Tanne. Ich kletterte an der Letzteren empor und gelangte dadurch auf einen starken Ast der Eiche, hier war deren Stamm dünn genug zum Klettern, und ich turnte mich nun an ihr so weit empor als es möglich war.
    Das frische, volle Laub der Krone verbarg mich so vollständig, daß ich von unten gar nicht bemerkt werden konnte; vor meinem Blicke aber lag die Gegend so klar und offen da, daß ich alle offenen Grasstellen und das Gipfelmeer des Waldes weithin übersehen konnte. Ich machte es mir so bequem wie möglich und hielt dann scharfe Wacht.
    Stundenlang saß ich da oben, ohne etwas Auffälliges zu bemerken, aber das durfte meine Wachsamkeit nicht ermüden. Endlich, da sah ich im Norden von mir eine Schaar Rabenkrähen sich von den Baumwipfeln erheben. Das konnte aus Zufall geschehen sein; aber die Vögel erhoben sich nicht in geschlossener Schaar, um sofort einer bestimmten Richtung zuzufliegen, sondern sie »streuten« in die Lüfte empor, kreisten einige Minuten wie rathlos über den Wipfeln und ließen sich dann eine Strecke davon vorsichtig auf die Bäume wieder nieder. Sie mußten aufgestört worden sein.
    In kurzer Zeit wiederholte sich dasselbe Spiel und dann zum dritten und vierten Male. Es war klar: es kam irgend ein Wesen, vor dem die Krähen sich fürchteten von Norden her durch den Wald geschlichen, und zwar so ziemlich in gerader Richtung auf meinen Standort zu. Ich kletterte so eilig wie möglich nieder und pürschte mich vorsichtig auf die Gegend zu, vorsichtig immer meine Fährte zerstörend.
    Dabei erreichte ich ein ganz undurchdringlich scheinendes Buchendickicht, in welches ich mich hineinarbeitete. Hier legte ich mich zur Erde nieder und wartete. Nicht lange, so kam es geschlichen, nicht hörbar, sondern lautlos wie Gespenster: ein, zwei, drei, fünf, sechs Indianer schritten an meinem Verstecke vorüber, Einer hinter dem Andern. Ihre Füße berührten nicht den kleinsten Theil eines abgebrochenen und zu Boden gefallenen Aestchens; es war, als ob ihre Füße die Erde gar nicht berührten.
    Das waren die Späher. Sie trugen die Kriegsfarben.
    Kaum waren sie vorüber, so huschte ich hervor. Es war klar, daß sie den dichtesten Wald aufsuchen würden; auch mußten sie jeden Schrittbreit untersuchen, ehe sie vorwärts drangen. Das hielt sie auf. Ich aber konnte den graden Weg einschlagen, die lichtesten Stellen benutzen und ohne Sorge vor Entdeckung heimkehren. Ich mußte ihnen also einen bedeutenden Vorsprung abgewinnen. Im eiligsten Laufe kehrte ich zurück, und es war kaum eine Viertelstunde vergangen, so glitt ich die steile Wand des Cannons hinab und auf das Lager zu.
    Da unten herrschte ein regeres Leben als vorher, und ich bemerkte sofort, daß neue Leute angekommen waren. Eben schritt ich über die Schienenstrecke, als ich zu meinem größten Erstaunen Winnetou bemerkte, welcher von der Höhe herabgeklettert kam. Ich erwartete ihn und frug, als er herangekommen war:
    »Mein rother Bruder kommt zu gleicher Zeit mit mir! Hat er Etwas gesehen?«
    »Winnetou kommt, weil er nicht mehr zu warten braucht,« antwortete er. »Mein Bruder Schar-lih hat ja die Späher entdeckt!«
    »Ah! Woher weiß dies Winnetou?«
    »Winnetou saß auf einem Baume und nahm sein Rohr zur Hand. Da erblickte er weit im Westen einen andern Baum. Das war die Gegend meines Bruders, und weil mein Bruder klug ist, so wußte Winnetou, daß er diesen Baum ersteigen werde. Dann nach langer Zeit erblickte Winnetou viele Punkte am Himmel. Das waren Vögel, welche vor den Spähern flohen. Mein Bruder mußte dies auch bemerken und nun die Späher beobachten. Darum kehrte der Häuptling der Apachen zum Lager

Weitere Kostenlose Bücher