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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurück, denn die Späher sind da.«
    Das war wieder einmal ein Beispiel von dem Scharfsinne dieses Indianers.
    Bereits bevor wir den Camp betraten, kam uns ein Mann entgegen, den ich vorher hier noch nicht gesehen hatte.
    »Ah, Sir, Ihr kehrt von der Suche zurück?« frug er. »Meine Leute sahen Euch vom Felsen steigen und meldeten es mir. Meinen Namen kennt Ihr bereits. Ich bin Colonel Rudge und habe Euch einen großen Dank abzustatten.«
    »Dazu hat es Zeit, Colonel,« antwortete ich. »Jetzt ist es vorerst nothwendig, den Sprengschuß zu lösen, damit mein Kamerad gewarnt werde. Gebt dann auch Befehl, daß sich die Leute verbergen, denn bereits in einer Viertelstunde werden die Spione der Ogellallah von da oben herab das Lager beobachten.«
    »
Well,
soll geschehen! Geht einstweilen herein; ich werde mich gleich wieder einstellen!«
    Einige Augenblicke später erdröhnte der Schuß, der so stark war, daß Walker ihn jedenfalls hören mußte. Dann zogen sich die Arbeiter in die Blockhäuser und die andern Räumlichkeiten zurück, so daß nur einige wenige Leute zu bemerken waren, die sich scheinbar mit der gewöhnlichen Streckenarbeit beschäftigten.
    Rudge suchte uns darauf im Vorrathsraume auf.
    »Nun, vor allen Dingen, was habt Ihr jetzt bemerkt, Sir?« frug er mich.
    »Sechs Ogellallah, welche die Spione sind.«
    »
Well!
Wir werden dafür sorgen, daß sie sich täuschen! Hört, wir Alle hier sind Euch den größten Dank schuldig, Sir, Euch und Euren Gefährten. Sagt, auf welche Weise wir Euch dankbar sein können!«
    »Dadurch, daß Ihr gar nicht vom Danke redet, Sir. Habt Ihr meinen Zettel gefunden?«
    »Allerdings.«
    »Und seid auch meiner Warnung sofort gefolgt?«
    »Wir sind sogleich umgekehrt, sonst könnten wir ja noch nicht hier sein. Aber es scheint, als ob wir grad zur rechten Zeit hier angekommen seien. Wann denkt Ihr wohl, daß die Herren Ogellallah und Railtroublers kommen werden?«
    »Sie werden uns in der morgenden Nacht angreifen.«
    »So haben wir ja genugsam Muße, uns vorher richtig kennen zu lernen, Sir,« lachte er. »Kommt, bringt Euren rothen Freund mit. Ihr sollt mir liebe Gäste sein!«
    Er führte mich und Winnetou nach dem andern Steingebäude, welches in mehreren Abtheilungen zerfiel. Die eine derselben bildete seine Wohnung, welche Raum genug für uns hatte. Oberst Rudge war eine kernhafte Natur, dem ich es zutraute, daß er sich vor den Indsmen nicht fürchtete. Wir hatten sehr bald Vertrauen zu einander gewonnen, und auch Winnetou, dessen Namen dem Obersten übrigens schon längst bekannt war, schien Wohlgefallen an dem Letzteren zu finden.
    »Kommt, Mesch’schurs, wir wollen einer guten Flasche den Hals brechen, da wir es mit den Rothen doch noch nicht thun können,« meinte der Ingenieur. »Macht es Euch bequem und denkt, daß Ihr bei einem Schuldner wohnt. Wenn Euer Kamerad, der dicke Walker kommt, soll er uns Gesellschaft leisten.«
    Wir waren von jetzt an überzeugt, daß wir von dem Felsen herab beobachtet wurden und verhielten uns danach. Bald kehrte auch Fred zurück; er hatte nichts gesehen, aber den Signalschuß deutlich vernommen.
    So lange es noch am Tage war, gab es Nichts zu thun, doch wurde uns die Zeit nicht lang. Rudge hatte viel erlebt und war ein guter Erzähler. Als dann der Abend hereinbrach und die Indsmen also nichts mehr sehen konnten, wurden die Befestigungen vollendet, und es freute mich dabei, daß der Colonel meinen Anordnungen seinen Beifall gegeben hatte.
    So verging die Nacht, und so verging auch der nächste Tag. Es war Neumond, und der Abend senkte sich vollständig dunkel in die Schlucht herab. Dann aber begannen die Sterne zu glänzen und verbreiteten eine solche Helle, daß man einen ziemlich breiten Ring des sich um die Einfassungsmauer ziehenden Terrains leidlich überblicken konnte.
    Ein jeder der vorhandenen Männer war mit einer Büchse und einem Messer versehen. Viele besaßen auch Revolver oder Terzerole. Da die Indianer ihre Angriffe gewöhnlich nach Mitternacht, kurz vor dem Morgengrauen unternehmen, so standen nur die nöthigen Posten auf den Bänken, und die Andern lagen, sich leise unterhaltend, im Grase umher. Draußen regte sich kein Lüftchen; aber das war eine trügerische Ruhe, und als die Mitternacht gekommen war, erhoben sich die Ruhenden, griffen zu ihren Gewehren und nahmen die ihnen angewiesenen Plätze auf den Bänken ein. Ich stand mit Winnetou am Thore, den Henrystutzen in der Hand. Die Büchse hatte ich in der

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